Wanderungen durch die Mark Brandenburg
tief ausgeschnittenen Kleides) und eine schwarze Samtjacke mit buntem Futter über die Schulter geworfen. In der Hand hält sie eine Tabatiere. Das Ganze macht einen sehr angenehmen Eindruck: eine vornehme, zugleich anspruchslos-hausmütterliche Dame, noch hübsch, aber ohne besondere Schönheit. – An Kunstwert ist ihr zweites Porträt, im Witwenkleide, das beste. Auch tritt sie einem hier am meisten als »schöne Frau« entgegen 61 .
11. Generalfeldmarschall Graf Kurt von Schwerin. Derselbe, der bei Prag fiel. Kniestück. Sehr gutes Bild, lebensvoll. Der Gesichtsausdruck freundlich, klug, fest und schlicht. Er ist in voller Rüstung, mehr Ritter als Kürassier, und trägt über der linken Schulter, als bloße Drapierung, einen Purpur-Samtüberwurf, auf dem der Schwarze Adlerorden sichtbar ist.
Dieses Bild, das sich früher im Besitz des Generals Kurt von Schöning in Potsdam befand, kam auf folgende Weise nach Tamsel.
General Kurt von Schöning hatte bei seinen gelegentlichen Besuchen in Tamsel nie versäumt, seines Ahnherrn Hans Adam von Schönings Bild (den Reiter mit den blutroten Gamaschen) mit lebhaftestem Interesse zu betrachten, und Graf Hermann Schwerin nahm deshalb Veranlassung, eine Kopie des großen Bildes anfertigen und diese dem General von Schöning überreichen zu lassen. Ein Schwerin also hatte einem Schöning das Bildnis seines berühmten Ahnherrn zum Geschenk gemacht. Jahre vergingen und General von Schöning starb. Bei Öffnung seines Testaments fand man in demselben folgendes: »§ 12. Das Bild vom Generalfeldmarschall Grafen Schwerin erhält der liebenswürdige, edle Herr Graf Schwerin auf Tamsel. Nur wenn derselbe eher als ich das Zeitliche segnen sollte, erhält es das Schloß von Tamsel in Anerkennung der treu-bewahrten Alt-Schöningschen Erinnerungen über und unter der Erde.«
So kam das Bild nach Tamsel. Ein Schöning hatte nunmehr einem Schwerin das Bildnis des berühmtesten Schwerinschen Ahnherrn als Gegengeschenk überreicht.
Ich habe geglaubt, bei Aufzählung alles dessen, was Tamsel einerseits an Erinnerungen, andererseits an Kunstschätzen bietet, ausführlicher verweilen zu sollen, weil diesem schönen Landsitze, durch länger als ein Jahrhundert hin, die Rolle zufiel, nicht nur ein historischer Schauplatz, sondern auch eine Pflegestätte für die Künste zu sein. Wir haben Stätten in unserer Provinz, die, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, glänzender debütiert, oder vorübergehend ein intensiveres Leben geführt haben, aber was dem Ruhme Tamsels an Intensität abgehen mag, das ersetzt er durch Dauer, durch ein konsequentes Sich-auf-dem-Niveau-halten. Es gibt märkische Schlösser, aus denen berühmtere Feldherrn als Feldmarschall von Schöning, schönere Frauen als Frau von Wreech und glänzendere Poeten als Graf Ludwig Wreech oder Graf Hermann Schwerin hervorgegangen sind, aber es gibt keinen Landsitz, der, wie Tamsel, durch sechs Generationen hin, in bewußter Ausübung und Pflege jeglicher Kunst sich immer gleich geblieben wäre.
Schloß Rheinsberg, mit dem es überhaupt vieles gemeinsam hat, steht ihm hierin am nächsten, da die Zeit seiner Blüte siebzig Jahre umfaßt. Alle übrigen Schlösser aber, die hierlandes den schönen Künsten ihr gastliches Tor öffneten, sahen die Muse nur zeitweilig in ihren Mauern. Sie kam und ging. Tegel: die Humboldts, Blumberg: Canitz, Wiepersdorf: Achim von Arnim, Nennhausen: Fouqué, Madlitz und Ziebingen: Tieck – alle hatten ihre Zeit und die literarische Bedeutung dessen, was in ihnen geboren wurde, ging weit über das hinaus, was Tamsel hervorbrachte. Aber dilettantisch wie alles sein mochte, was der schöne neumärkische Herrensitz entstehen sah, klein wie das Feuer war, es losch nie aus. Der Besitz wechselte vielfach und ging durch Erbschaft auf immer neue Namen über, jeder folgende jedoch empfand sich stets als Erbe gewisser Traditionen, und die Schönings, die Wreechs, die Dönhoffs, die Schwerins, wie verschieden sonst auch, sie zeigten sich einig in gefälliger Pflege der Kunst.
Und um dieser Eigentümlichkeit Tamsels gerecht zu werden, bedurfte es einer ins einzelne gehenden Aufzählung des reichen Materials, das sich daselbst in Schloß und Park und Kirche zusammenfindet.
Zorndorf
Moskoviens Bär mit eisbehangnen Haaren
Dürstete Friedrichs Blut.
Christian Fr. Daniel Schubart
Mit Vergunst,
Der Will' ist eins, ein andres ist die Kunst.
Eine halbe Meile nördlich von Tamsel liegt
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