Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Zorndorf. Der Weg führt zunächst durch eine tiefe Schlucht, die hier, unmittelbar im Rücken des Dorfes, die Hügelkette torartig durchbricht und immer ansteigend auf ein Plateau von mäßiger Höhe mündet. Die Fahrt, die sehr malerisch beginnt, verliert sehr bald ihren Charakter; Sand und Baumwurzeln treten an die Stelle von mit Laubholz besetzten Berglehnen, bis endlich das freundlich daliegende Zorndorf die ziemlich reizlose Öde wieder unterbricht.
    Zorndorf ist wohlhabend, wie fast alle Dörfer, wo Schlachten geschlagen wurden. Ob es lediglich daran liegt, daß die während des Kampfes zerstörten Dörfer besser und hübscher wieder aufgebaut werden, oder ob die Schlachtfelder, wie große Kirchhöfe, einen reicheren Acker schaffen? Es stehe dahin. Vielleicht auch kommt noch ein drittes hinzu. Das Auferbauen aus Trümmern schafft nicht nur einfach ein neues Dorf, es schafft auch, in nötig gewordener Anspannung, ein rührigeres Geschlecht. Und Fleiß und Energie, einmal wachgerufen, vererben sich weiter von Vater auf Sohn.
    Unser Wagen hielt vor dem Krug, und mein in Zorndorf halb heimischer Reisegefährte rief nach dem Krüger. Und siehe da, aus einem kleinen dürftigen Laden trat eine Hünengestalt heraus, grüßte, und stellte sich halb dienstlich neben den Tritt unseres Wagens. Seine riesige Gestalt und die kleine Ladentür paßten wenig zusammen. Ein ähnlich komisches Verhältnis bestand zwischen seiner Gestalt und seinem Namen.
    »Guten Tag, Herr Nonnenprediger.«
    Der Angeredete erwiderte ruhig den Gruß und verzog keine Miene.
    »Herr Nonnenprediger«, fuhr mein Reisegefährte fort, »einer von den Bauern hier sammelt ja wohl alles, was auf dem Schlachtfelde gefunden wird. Verlohnt es sich, bei ihm vorzufahren?«
    Nonnenpredigers Mund ging in ein leises Grinsen über, das über seine Stellung zu »vaterländischen Altertümern« keine weiteren Zweifel gestattete.
    »Können Sie uns nicht ungefähr sagen, was der Bauer alles hat?«
    »Kanonenkugeln, Gewehrläufe, Schäfte, Flintensteine.«
    »Nicht den Lehnstuhl, darauf Friedrich der Große die Nacht vorher geschlafen hat?«
    »Nein, der steht in der Neudammschen Mühle.«
    »Sonst nichts?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Danke schön. Guten Abend, Herr Nonnenprediger. – Fahr zu!«
    Und so ging es weiter an der hübschen neuen Kirche vorbei, hinaus ins Freie.
    Unmittelbar hinter Zorndorf beginnt das Schlachtfeld. Es ist ein Viereck, das von der Neumühlschen Forst und dem Zicher Bach im Westen und Osten, und von der Mietzel und einem Höhenzug im Norden und Süden gebildet wird. An dem Höhenzuge liegen Wilkersdorf und Zorndorf. Auf diesem Stückchen Erde wurde die Schlacht geschlagen. Der Boden ist wellenförmig, aber die Einschnitte ziehen sich nicht horizontal von West nach Ost, sondern senkrecht von Nord nach Süd, so daß das ganze Terrain mit seinen Höhen und Tiefen einer Tischplatte gleicht, auf der eine Riesenhand mit gespreizten Fingern liegt. Das an jenem Tage den Mittelpunkt der russischen Stellung bildende Dorf Quartschen entspricht dem Handgelenk. Hier trafen alle Höhen und Tiefen in einem Punkte fächerförmig zusammen.
    Auf einem zwischen zwei dieser Vertiefungen, dem Zabern- und dem Galgengrunde gelegenen Hügelrücken, entschied sich die Schlacht. Richtiger: von hier aus wurde sie entschieden. Von Zorndorf her den Zaberngrund hinaufrückend, begleitete Seydlitz am äußersten linken Flügel der preußischen Aufstellung den Auf- und Vormarsch der Angriffskolonnen. Selber ungesehen sah er seinerseits alles. Auf die Aufforderung des Königs, »anzugreifen, bei Gefahr seines Kopfes«, gab er die bekannte Antwort: »Nach der Schlacht stehe dem Könige sein Kopf zu Befehl; während derselben möge er ihm noch erlauben, davon in seinem Dienste Gebrauch zu machen.« Der Zeitpunkt war eben noch nicht da. Im Moment aber, als die bereits siegreichen Russen ihre Reiterei vorschickten, um in die fliehenden preußischen Bataillone einzuhauen, schwenkte Seydlitz plötzlich rechts, passierte den Bach und stieg aus der Tiefe herauf. Und nun wie Sturm über das Plateau zwischen dem Zabern- und Galgengrund hinfegend, führte er jene weltberühmte Attacke aus, die mit der Niederwerfung des zunächst stehenden russischen Flügels endigte, und sechs Stunden später gegen den andern Flügel wiederholt, den Tag zugunsten des Königs abschloß.
    »Seydlitz, auch diesen Sieg verdank ich ihm.« »Nicht mir, Majestät. Hier diesem Löwen, dem Rittmeister von

Weitere Kostenlose Bücher