Wanderungen durch die Mark Brandenburg
trägt. Dies Monument hat Graf Hermann Schwerin errichten lassen, ein sehr liebenswürdiger und kunstsinniger Herr. Sie werden gleich sehen, warum ich mit ihm beginne.
Es war um 1846, als ein benachbarter Freund bei dem Tamseler Grafen erschien, und ihm von einem Küstriner Klempner erzählte, der in überpatriotischem Eifer auf die Idee gekommen war, den alten Fritz in Weißblech zu treiben. Er hatte jahrelang seine Feierabendstunden daran gesetzt. Nun stand der große König endlich fix und fertig da, sieben Fuß hoch und blank wie ein Zinnlöffel. Aber niemand wollte ihn haben. Der Graf, der nicht nur ein kunstsinniger, sondern vor allem auch ein sehr gütiger Herr war, überlegte sich's einen Augenblick, akzeptierte dann das angebotene Kunstwerk, zahlte den Preis und traf seine Dispositionen.
Ein paar Tage später traf alles in Tamsel ein. Tamsel aber war nicht Bestimmungsort. Der Graf hatte bereits anderweitig darüber verfügt, freilich mit einer an Vorahnung grenzenden Besorgnis.
Es war Anfang November, und zu mitternächtiger Stunde hielt ein Leiterwagen vor dem Schloß. Jetzt mußte sich's entscheiden. Die Statue wurde rasch aufgeladen und ehe zehn Minuten um waren, setzte sich der Zug unter Begleitung von einem Mauerpolier und drei Gesellen in Bewegung. Andere Dienstleute folgten. Es ging still durch Schlucht und Wald, noch stiller durch Zorndorf hin, an Mertens Gehöft vorüber, bis der Wagen hier zu Füßen des Hügels hielt. Und nun rasch und ängstlich und mit fast gespenstischer Stille wurde der blecherne Fritz auf den Granitwürfel gestellt. Sie können noch sehen, wo der Mörtel gesessen hat. Dann in stiller Nacht, wie der Zug gekommen war, verschwand er auch wieder.
Am anderen Morgen trat Mertens ältester Sohn in die Haustür, um nach dem Wetter zu sehen. Er sah auch zufällig nach dem Monument hinüber und bemerkte, daß eine menschliche Figur auf dem Steinwürfel stand. Er dachte aber nichts Arges dabei und ging in den Stall, um die Pferde zu füttern. Als er nach einer Stunde wieder in die Haustür trat, wurde es ihm verwundersam und er brummte vor sich hin: »He steiht ümmer noch!« Und er weckte nun den Alten. Der kam und alles Hausgesinde mit ihm. Aber es blieb, wie es war. »De snaksche Kerl steiht ümmer noch«, wiederholte der Sohn. Und in der Tat, im Nebel des Novembermorgens, regungslos und rätselvoll, stand eine menschliche Figur auf dem Zorndorfer Schlachtenstein. Welche Hypothesen in jener Stunde geboren sein mögen, ist schwer zu sagen. Endlich, wie sich von selbst versteht, löste sich der Spuk.
Die Mertensschen waren nun zufrieden, aber Graf Schwerin war es nicht. Sein künstlerisches Gewissen schlug ihm, und wenn anfangs das gute Herz über die ästhetischen Instinkte gesiegt hatte, so rächten sich diese jetzt und drangen ihrerseits auf Abhilfe. Der Graf, wenn er des Weges kam, ging an dem »alten Fritzen« vorüber, wie an einer Schuld, welche Sühne verlangte.
Und endlich fand er sie. Nachdem das Bildnis einen Winter lang allen Stürmen getrotzt und jegliches Blanke seiner Erscheinung längst eingebüßt hatte, erschienen die Vermummten wieder, und siehe da, nächtlicherweile wie die Statue gekommen war, so verschwand sie wieder. Eine kurze, freudlose Existenz. Wie Leidtragende folgten der Mauerpolier und die Seinen und geleiteten die Figur nach Tamsel zurück. In einem der dortigen Kohlenkeller ist sie verschollen.«
Völlige Dämmerung lagerte jetzt auf den Feldern, und war es nun die Kühle des Abends, oder die Stelle, auf der wir standen, ein leises Frösteln überlief mich. Dann sprangen wir über die Ligusterwand hinweg in die hohen Halme hinein, und Arm und Brust vorschiebend, schwammen wir durch das Kornfeld hindurch. Wir hörten nichts als ein Rauschen und Knistern, selbst im Zaberngrunde war es still geworden, und unser Gespräch belebte sich erst wieder, als der Wagen über die Landstraße hinrollte und in das Prusten unserer Pferde hinein Bauer Mertens uns seinen »guten Abend« bot. Es klang treuherzig genug, ahnungslos, daß er und sein Ältester eben die Helden oder doch die Mitspielenden in einer Geschichte gewesen waren.
Auf dem Hohen-Barnim
»Der Blumenthal«
Und aber nach fünfhundert Jahren
Will ich desselben Weges fahren.
Chidher der ewig junge
»Der Blumenthal«, d.h. der Blumenthalwald, ist der Name eines großen Forstreviers, das den Hohen-Barnim von Westen nach Osten hin durchzieht und durch die von Berlin nach Wriezen
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