Wanderungen durch die Mark Brandenburg
aber der ältere Bruder führen.
Und nach diesem Abkommen wurde verfahren.
Der ganze Vortrupp, vierundzwanzig reitende gewappnete Knechte, ritten auf die Fähre hinauf und als sie Stand und Ordnung genommen, erschien Dietrich von Quitzow, dem sich, im letzten Augenblicke, sein Schwager Albrecht von Schenk und gleich danach auch sein Bruder Konrad von Quitzow (der Hohenwalder) anschloß. Die Fähre ging tief und hatte nur wenig Bord. Es war außerdem windig, so daß sich die gelben Wogen der Elbe mächtig heranwälzten. In der Tat scheint es, als ob man ein Einsehen von dem Gefahrvollen einer solchen Überlastung gehabt habe; die Fährleute jedoch versicherten einmal über das andere, daß nichts zu fürchten sei, und so stieß man denn unter Zuruf und Tücherwinken der vorläufig noch am altmärkischen Ufer Verbleibenden ab. Alles war guter Dinge, welche frohe Stimmung noch wuchs, als die von Kaspar Gans auch heute wieder bis an die Fährstelle beorderten Trompeter ihre Abschiedsweisen anstimmten. Ein jäher Aufschrei aber, der vom Fährboot ausgehend, im selben Augenblick auch unter dem am Ufer Zurückgebliebenen erscholl, übertönte plötzlich die Fanfaren und als diese schwiegen, sah man von der altmärkischen Seite her das Sinken der Fähre: das Wasser schlug über Bord und ehe noch an Rettung zu denken oder wohl gar nach anderen Booten auszuschauen war, versank die Fähre vor aller Augen. Sowohl Dietrich von Quitzow wie sein Schwager Albrecht von Schenk warfen sich voll Geistesgegenwart auf ihre Pferde und hatten Kraft und Geschicklichkeit genug, sich bis an das havelländische Ufer zu retten, alles andere aber ging zu Grunde: die ganze Knechteschar und mit ihnen Konrad von Quitzow, der den Abend vorher so widerstrebend und ahnungsvoll den Totentanz getanzt hatte. Vergebens, daß man nach seiner Leiche suchte; viele der mit ihm Ertrunkenen wurden gefunden, er nicht, und unter Schmerz und Grauen beschloß man die Taufreise, die so froh und unter so glänzenden Aussichten begonnen hatte. Daheim wurden dem
»guten
Quitzow«, der sich, im Gegensatze zu seinen Brüdern, einer ziemlich allgemeinen Beliebtheit erfreute, zahlreiche Seelenmessen gelesen und vielfach beklagte man den Ausgang. Aber andere waren da, die kaum ein Gefühl des Triumphes zurückhalten konnten und in dem grauenhaften Ereignisse das erste Zeichen sahen, daß sich der Himmel gegen die Quitzows wenden wolle. Wusterwitz war unter denen, die dieses Glaubens lebten. Und ihr Glaube war der richtige: die Taufreise nach Tangermünde war der Wendepunkt im Leben der Quitzows und trotz großer politischer wie militärischer Erfolge, deren sie sich gelegentlich noch zu rühmen hatten, ging es von diesem Tag an mit ihrem Glücke bergab.
Was diesen Niedergang und Fall der Familie herbeiführte, lag ganz außerhalb ihrer Verschuldung, wenn von einer solchen (ich komme weiterhin auf diese Frage zurück) überhaupt die Rede sein kann. Es lag einfach so: das Eintreten bestimmter politischer Ereignisse hatte das Heraufkommen der Familie, ja deren Glanz ermöglicht, und das Eintreten anderer politischer Ereignisse ließ diesen Glanz wieder hinschwinden. Das bedeutsamste dieser Ereignisse war der Tod des mehrgenannten Markgrafen Jobst von Mähren. Er starb den 17. Januar 1411 auf seinem Schlosse zu Brünn, einige sagen durch Gift, und König Sigismund, der 1388, um Geldes willen, die Mark Brandenburg seinem Vetter Jobst überlassen hatte, sah sich nun abermals im Erbbesitze des in genanntem Jahre von ihm abgetretenen Landes.
Hieraus erwuchs der Wechsel der Dinge.
Schon die bloße Tatsache, daß Jobst nicht mehr war, war gleichbedeutend mit Halbierung des Ansehens der Quitzowfamilie, die, ganz abgesehen von dem äußerlichen Machtzuwachs, der ihr aus dem das Jobstsche Regiment kennzeichnenden Verkauf von Schlössern und Städten erwachsen war, besonders auch in der ausgesprochenen Wohlgewogenheit des Markgrafen eine starke moralische Stütze gehabt hatte. Denn ein so schlechter Regent Jobst gewesen, er war und blieb doch immer Landesherr, dessen Autorität dem, der seiner Gunst sich rühmen durfte, zweifellos ein bestimmtes Maß von Schutz und Deckung gab, ein Maß von Schutz und Deckung, das nun plötzlich fehlte.
Jobst war nicht mehr. Diese Tatsache war ausreichend, die Quitzows in ihrer Machtfülle zu schädigen. Was aber diese Schädigung aller Wahrscheinlichkeit nach verdoppeln mußte, war das, daß König Sigismund (inzwischen auch zum Kaiser erwählt)
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