Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin

Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Gotthard Erler , Rudolf Mingau
Vom Netzwerk:
ist, die Neigung innewohnen muß, den vorstehenden Rechnungssatz umzukehren. In den höchsten Handelssphären haben sich freilich diese Gegensätze von Geben und Nehmen gelegentlich versöhnt, und die Kaufhäuser erwiesen sich dann den Fürstenhäusern verwandt in denen sich die Gewinnfragen zu Kulturfragen gestalteten. Aber so gewiß es in Jahrhunderten, die nicht allzuweit zurückliegen, solche Handelshäuser gegeben hat, so gewiß ist es doch auch, daß unsere Sandmark – von Berlin selbst ist abzusehen – jederzeit der unglücklichste Boden für sie gewesen ist. Hier war, als Regel, immer nur der Kleinhandel zu Hause, der, bis in die neueste Zeit hinein, seine Normen weder aus Venedig und Florenz noch aus Amsterdam und dem alten Hansa-Lübeck entnehmen konnte. ._.
----

11. Wilhelm Gentz
    In Ruppin. Kindheit. Jugend
(Von 1822 bis 1843)
    Wilhelm Gentz, der ältere Sohn Christian Friedrich Gentz', wurde den 9. Dezember 1822 zu Neuruppin geboren. Er besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt, das damals unter Leitung Direktor Starkes, eines ausgezeichneten Griechen- und Aristoteles-Kenners, eine Glanzepoche hatte, wenigstens nach der höheren wissenschaftlichen Seite hin. Die Verwaltung freilich war schwach und wog die sonstigen Vorzüge fast wieder auf. W. Gentz absolvierte, trotz schon früh erwachter künstlerischer Neigung, sein Abiturientenexamen Ostern 1843. In autobiographischen Aufzeichnungen, die mir vorliegen, hat er, wie über anderes, so auch über seine Kinder- und Knabenjahre, die Gymnasialzeit mit eingerechnet, in der ihm eigenen Weise berichtet. An diesen Aufzeichnungen Änderungen vorzunehmen, habe ich mich wohl gehütet. W. Gentz gehört zu den Erzählern, denen beim Erzählen »immer noch was einfällt« und die diesen Einfällen dann auch Ausdruck geben. Dadurch entsteht eine Vortragsweise, die der herkömmlichen Technik allerdings widerstreitet und den ruhig ebenmäßigen Gang der Erzählung mehr oder weniger behindert, was gelegentlich selbst den , der sich dieser Exkurse freut, auf Augenblicke stören kann. Alles in allem aber bedeutet diese Vortragsweise doch einen Vorzug, weil etwas überaus Anregendes dadurch zum Ausdruck kommt, das nicht immer den Formensinn, aber desto mehr das Interesse befriedigt.
    Und nun gebe ich ihm selber das Wort.
    »... Mein Vater, ein Tuchmachergesell, heiratete meine Mutter, die damals schon einen kleinen Laden besaß. Ich soll mehr der Mutter als dem Vater ähnlich gewesen sein, auch in den Charaktereigenschaften. Von frühan war ich geschickt zu allerhand Handarbeiten und saß gern in den Zimmerecken umher, um Silhouetten aus schwarzem Papier auszuschneiden. Das Zeichnen und Austuschen spielte bei uns Geschwistern eine große Rolle. Nur mein ältester Bruder, der schon mit einigen zwanzig Jahren an der Schwindsucht starb, hatte keine Begabung dafür, besaß statt dessen aber ein so glänzendes Gedächtnis, daß er in seiner langen Krankheit, bloß mit Grammatik und Wörterbuch in der Hand, mehrere Sprachen für sich allein erlernte.
    Mein Schulunterricht begann in der Bürgerschule. Während ich diese noch besuchte, bat ich die Eltern, mich zum Gymnasialzeichenlehrer Masch in den Zeichenunterricht zu schicken. Das wurde denn auch gewährt. Ich erhielt eine zufällig im Hause sich vorfindende Zeichenmappe, die so groß war, daß ich sie kaum umspannen konnte. Mit dieser unterm Arm schlich ich mich ängstlich ins Gymnasium, wohin ich noch nicht gehörte und deshalb fürchtete, von den anderen Lehrern gesehen und fortgewiesen zu werden. Diese Furcht dauerte denn auch an, bis ich die Bürgerschule verließ und auch in den anderen Lehrgegenständen ins Gymnasium aufgenommen wurde.
    Vater und Mutter, auf den Erwerb bedachte Naturen, waren fortwährend in Laden und Küche beschäftigt, was zur Folge hatte, daß wir Kinder einigermaßen verwilderten. Wir streiften vor den Toren der Stadt umher, um Pflanzen, Käfer, Vogeleier und allerhand Naturgegenstände zu sammeln, so daß unser Zimmer bald einem Naturaliencabinet glich. Die Schränke waren gefüllt mit Herbarien, Insekten, Steinen und Muscheln. Auf Pappe aufgezogene Fische hingen an den Wänden, auf den Spinden standen selbsterlegte und ausgestopfte Vögel. Mein Vater hatte mir nämlich eine Flinte gekauft, so daß ich Sonnabend nachmittag auf die Jagd gehen konnte. Dadurch wurde der Sinn geweckt, die Natur zu beobachten. Aber das Lernen in der Schule ward vernachlässigt. Ein Hauslehrer mußte deshalb

Weitere Kostenlose Bücher