Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin
Richtung gelten fürder als das sittlich Entscheidende, sondern der Weg . Wessen Weg über Treubruch, Verrat und Undankbarkeit führt, den kann kein hohes Prinzip, keine glänzende Fahneninschrift retten; wer umgekehrt lautere Wege wandelt, dem gegenüber ist es gleichgültig, wenigstens vom ethischen Standpunkt aus, wohin diese Wege leiten.
Welche Wege nun wandelte Christian Gentz? Wir lassen dabei die bisher berührten Punkte fallen und beziehen die Frage nicht mehr auf Politik und Kirche, sondern auf sein Leben überhaupt. Die Antwort wird verschieden ausfallen, je nachdem der Beantwortende die Lust und Fähigkeit mitbringt, Menschen und Dinge mit dem Maßstabe zu messen, der in den Menschen und Dingen selber gelegen ist. Macaulay sagt, bei Beurteilung des Machiavellischen »Fürstenspiegels«, etwa das folgende: »Die Anklagen, die dieser Fürstenspiegel erfahren hat, gehen zumeist daraus hervor, daß der germanische Norden Europas andere Ideale hegt als der romanische Süden. Dem Germanen bedeuten Tapferkeit und Treue das Höchste, der Italiener dagegen zollt der überlegenen Klugheit, der List, der feingesponnenen Intrigue dieselbe Bewunderung, die wir jedem Percy Heißsporn entgegentragen, der ein Dutzend Schotten zum Frühstück verzehrt.«
Hieraus ist leicht die Nutzanwendung auf den vorliegenden Fall gezogen. Im allgemeinen sind wir hierlandes und zumal in den Herzen unsrer Besten immer noch von jenem altpreußischen Gefühl durchdrungen, das in dem schönen »Ich dien« seinen selbstsuchtslos-hingebenden und zugleich stolzen Ausdruck gefunden hat. »Meine Seele Gott und mein Blut dem König!« – ja, diese Devise lebt noch in hunderttausend Herzen, und der Himmel woll es fügen, daß uns das entsprechende Gefühl bis in weite Zukunftstage hinein erhalten bleibt. Aber so gewiß es gestattet sein muß, sich in schwärmerischem Eifer zu dieser Empfindung zu bekennen, so gewiß ist es doch auch, daß dies eine Feiertagsempfindung ist, neben der eine Durchschnitts- und Alltagsbetrachtung ihre volle Berechtigung hat. Die Montmorencys haben ihr Gesetz, und die Torf-Exploitierungs-Gesellschaften haben es auch . Man kann nicht verlangen, daß diese beiden Gesetze untereinander stimmen. 1) Wer bis zwanzig Jahr ein Tuchmacher und dann weitere zehn Jahr ein kleiner Krämer war, kann nicht zugleich bei Roncesvalles gefochten oder König Roberts Herz in einer silbernen Kapsel gen Jerusalem getragen haben. Finanzielles und Romantisches, das »Goldene Kalb« und das »Goldene Vlies«, sie schließen einander aus, und im Schoße der merkantilen Welt, ein paar glänzende Ausnahmen zugegeben, ist es längst zum Axiom erhoben worden: was nicht verboten ist, ist erlaubt. Freiherrn und Grafen gehorchen einem umgeschriebenen Kodex der Ehre, sollen es wenigstens; der Torfgraf seinerseits kennt kein anderes Gesetz der Ehre als – das Landrecht.
An diesem Gesetze gemessen, wird unser alter Christian Gentz, und viele mit ihm, in Ehren bestehen. Es ist ein Fehler, wie schon eingangs bemerkt, an Gestalten wie diese den sans-peur-et-sans-reproche-Maßstab legen zu wollen. Jeder werd in seinem Kreise treu und tüchtig befunden. Hier war der Kreis ein geschäftlicher und lag einerseits im Wustrauer Luch, andererseits auf den »Kahlenbergen«. Ein unendlicher Gottessegen ersproß an beiden Stellen aus der Urbarmachung von Sumpf und Sand, und war auch zunächst dabei nur ein Egoistisches, nur das Ich gemeint, das Allgemeine durfte bald daran teilnehmen. Überall aber, wo Segen geboren wird, forsche man nicht allzu kritisch nach dem Motiv, das ihn ins Dasein rief. Ein Kaufmann sei ein Kaufmann und wolle gewinnen . Das ist nicht bloß sein Recht, sondern auch seine Pflicht.
Aber freilich, der überflügelte Dilettantismus ist auch auf diesem Gebiete stets geneigt, den strengsten Kritiker abzugeben und nötigenfalls, so nichts andres verfangen will, die Böller einer »höheren Sittlichkeit« abzufeuern. Sie springen aber beim ersten Schuß.
Johann Christian Gentz starb am 4. Oktober 1867 und fand seine Ruhestätte auf dem alten Ruppiner Kirchhof, innerhalb des Familienbegräbnisplatzes »am Wall«. Dort ruht auch sein jüngerer Sohn Alexander.
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Es existiert ein natürlicher Gegensatz zwischen dem Chevaleresken und dem Merkantilen, der natürliche Gegensatz von Geben und Nehmen . Schon der einfache Kalkül: »Ich kaufe zu 1 und verkaufe zu 2«, enthält ein Etwas, das dem noblesse oblige widerstreitet, dem überall, wo es echt
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