Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
Tage, niemandem zur Freude, am wenigsten sich selbst.
Dieser Gruppe von Freudlosen gehörte auch unser Pastor Moritz an; er hatte keine Spur von jener christlich-leuchtenden Serenität, die dem liebenswürdig angelegten Naturell aus dem »sie säen nicht, sie ernten nicht« erwächst, und so bracht er es denn mit seiner ganzen Korrektheit in Geldsachen, mit seinen Klagen, Vorstellungen und Protesten, die immer nur darauf hinausliefen, daß der Heckenzaun noch nicht gemacht und die Tonne Most noch nicht geliefert worden sei, zu nichts andrem, als daß man ihn für einen unerquicklichen Geizhals hielt. Er war es nicht (im Gegenteil, er gab, er half), aber man darf sagen, er hatte die Allüren des Geizes. Und an dieser Stelle ist der Bauer am empfindlichsten, deshalb am empfindlichsten, weil er sich am besten selbst darauf versteht und jede kleine Nuance, nach selbsteigner Praxis und Erfahrung, am leichtesten entdecken und verfolgen kann.
Noch einmal, an einer gewissen ablehnenden Nüchternheit, an einem cholerisch gearteten Rechtsgefühl, das schließlich, als das Feuer verglüht war, in eine Art von Melancholie umschlug, scheiterte unser Pastor Moritz – es bewährte sich an ihm: unser Glück oder Unglück wurzelt in unsrem Charakter. Ohne Liebe sank er hin.
Aber wir Nachgebornen stehen anders zu ihm, und dem Bedrücklichen seines Wesens entrückt, können wir uns an seiner Bravheit und Tapferkeit aufrichten, an ihm messen. Er war in vielen Stücken ein guter Typus seiner Zeit und speziell auch des märkischen Charakters.
Die glücklich geänderten Zeiten werden von selbst dafür Sorge tragen, daß die Schwächen der Männer jener Epoche sich in uns mindern, Schwächen, die in der Sterilität des Bodens und aller Lebensverhältnisse ihren Grund hatten. Aber an uns ist es, dafür zu sorgen, daß ihre Vorzüge uns verbleiben: ihre Einfachheit, ihre Festigkeit, ihr Haushalten und ihre Treue.
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Sacrow
Nach den Tagebuchaufzeichnungen
eines havelländischen Landgeistlichen 1)
Erröten ließ er die bescheidne Schande
In ihrem ehrbar schonenden Gewande
Und zog der Lust den Schleier vom Gesicht.
Annette Droste-Hülshoff
Sacrow unter dem Grafen Hordt
von 1774 bis 1779
Sacrow, als ich dies Filial erhielt, befand sich im Besitze des schwedischen Grafen Hordt; seine Gemahlin war eine Gräfin Wachtmeister. Gleich nach Empfang meiner Vocation schrieb ich von Geltow aus an den Grafen und bat für Sacrow um sein Accessit. Es hieß in meinem Briefe: »Ich weiß, daß das Dorf Sacrow eine ecclesia vagans ist; ich respektiere diese Independenz und sehe die Collation als eine freie Gnade an. Wenn Euer Hochgeboren nichts mehr verlangen als einen Mann, der in seinem Dienste solide ist, so bin ich der Mann dazu... Ganz natürlich wäre hier der Ort, mich gegen die schwarze Kabale meines eigentlichen Pfarrdorfes zu verteidigen, weil es ihr doch gelungen ist, ihre Verleumdungen auch bis Sacrow auszudehnen. Die Zeit aber, die alles entdeckt, wird auch dieses aufdecken.«
Hierauf bekam ich folgende Antwort: »Euer Hochehrwürden an mich geschriebene Briefe habe ich richtig erhalten; da es aber noch lange Zeit hat, bis das Gnadenjahr um ist, so werden Sie mir wohl nicht verdenken, daß ich nicht eile. Unter der Zeit hoffe das Vergnügen zu haben, Sie persönlich kennenzulernen. Finde ich, was ich suche, nämlich einen wahren Seelsorger seiner Gemeinde, so wird die Vocation nicht lange ausbleiben. – Was die ›Kabale‹ anbetrifft, von der Sie sprechen, so ist mir dieselbe nicht nur unbekannt, sondern das Wort Kabale allein schon ist mir unerträglich, insonderheit in Sachen, wo man Gott sein Schicksal überlassen und von ihm erwarten muß, was er zu unserem Seelenheil bestimmt.«
Der Graf (so fährt das Tagebuch fort) schreibt von Seelenheil wie ein Pietist, wofür er auch in seiner Gegend gehalten wurde. Das Wort Schicksal, welches kein Hallenser verträgt, mag er verdauen. Er ärgert sich über den Ausdruck Kabale, wie mir Hofrat Brandhorst erzählt, bloß deshalb, weil es ihm seine eigene ehemalige Kabale zu Stockholm ins Gedächtnis ruft, worüber er öfter Gewissensvorwürfe haben soll.
Der 11. p. trinitatis führte mich zur Vakanzpredigt nach Sacrow. Ich predigte über die Sonntagsepistel und entwickelte den wahren Begriff der Bekehrung. Der Graf lobte mich ins Gesicht; die Gräfin bat sich die Predigt abschriftlich aus.
Während des Kaffees trat ein gemeiner Mann in den Saal. Er ward von der Herrschaft
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