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Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sehr freundlich bewillkommt, ihm ein Stuhl neben der Gräfin gesetzt und ein Glas Wein gereicht (mir nicht). »Kennen Sie diesen Mann?« – »Nein!« – »Es ist ein wahres Kind Gottes, der Weinmeister Reuter von Krampnitz. Lernen Sie ihn kennen.«
    Ich erwartete nun des Grafen Erklärung über die Vocation. Allein er schwieg. Beim Abschied bat ich nochmals darum. »Ich werde Ihnen meine Meinung schriftlich melden.«
    Ich ging ohne Freudigkeit weg, und diese Freudigkeit sollte mir auch nicht kommen, als endlich des Grafen Brief eintraf, in dem er mir einen Gehalt von sechzig Talern versprach, weil das Korn, das laut Matrikel der Stelle zugehört, so viel betrage. Dies war nicht richtig, es betrug mehr , und so schrieb ich denn, der Herr Graf möchte es entweder beim alten (Naturallieferung) belassen oder sich ans Oberconsistorium wenden. Wie sehr ich hierdurch den schwedischen Reichsgrafen aufgebracht und was er für böse Worte im Zorn gegen mich ausgestoßen, das hab ich wohl erfahren, mag es aber nicht niederschreiben.
    (1775.) Der Graf war also mein Feind und suchte sich anderwärts zu helfen. Der Kandidat Korthym sollte sich ordinieren lassen – die Waisenhausdirektion widersetzte sich. Er (der Graf) bot es dem Prediger Hollmann in Uetz an, aber der war zu ehrlich, um im trüben zu fischen. Prediger Schmidt in Döberitz war bereit, wenn ihn der Graf wollte abholen und zurückfahren lassen. Aber der Graf wollte nicht plus, sondern minus. Endlich wandte er sich an den irrenden Ritter, Herrn Magister Kindleben, damals Prediger in Gladow, ein Mann von der schlechtesten Aufführung, der es mit Freuden annahm, aber bald seinen Posten niederlegte, um der öffentlichen Cassation zuvorzukommen.
    Mit Anfang des August kam der Küster Wurm aus Sacrow zu mir, ein Mann, wie zum Küster gebaut, ohne den gewöhnlichen Nagel im Kopf. »Der Graf ist in der Enge«, sagte er, »jetzt ist es Zeit, schreiben Sie.« – »Ich! schreiben! der Graf hat unrecht.« – »Ja, das hat er; aber er ist doch ein großer Herr« (Wurm war vorher Bedienter des Grafen gewesen), »geben Sie nach.« – Und ich gab nach. Wir wurden einig. Ich ward nebst meiner Frau zu Tische gebeten. Nach Tisch standen der Graf und ich am Fenster. »Sie sind mein Mann, wir sind füreinander gemacht.« – »Ja«, sagte ich, »es sei so für meine Person. Mein Nachfolger bleibe ungebunden. Hier ist meine Hand.«
    (1777.) Graf und Gräfin waren wenig hier. Sie lebten in Berlin. Nur einmal ist die Gräfin bei mir zum Abendmahl gegangen, am Sonntage vor der Predigt. Sie war ganz schlecht gekleidet, comme en négligé.
    Es war auch in Berlin, wo sie am 13. Juli 1777 starb. Ihre Leiche wurde nach Sacrow gebracht. Über Stolpe kam sie und ward mit einer Fähre (die dazu angeschafft wurde und seit der Zeit da ist) übergesetzt. Ich war gegen sechs Uhr abends bestellt, und als ich kam, stand der Sarg schon im Salon und die Träger dabei. Ich ging hinauf zu ihm. »Wie wollen es der Herr Graf gehalten wissen?« – »Sie gehen mit dem Küster voran. Unterwegs wird nicht gesungen. Bei dem Grabe singen Sie: ›Jesus, meine Zuversicht‹. Dann tun Sie ein Gebet; darauf wird weitergesungen und das Grab zugeworfen.« Und so geschah es. Er hatte sich an einen Baum gelehnt und zog etliche Mal das Schnupftuch heraus. Nach vier Wochen bestellte Herr Lüdicke (Schreiber und Faktotum) eine Leichenpredigt, brachte auch den Lebenslauf. Ich hielt sie, aber der Graf war bei dem König. Niemand vergoß eine Träne. Es sah für eine Gräfin etwas kahl aus.
    Die verstorbene Gräfin wurde den 16. Juni 1722 geboren. Ihr Vater war Graf Karl Wachtmeister, königlich schwedischer Admiral, und der Großvater Graf Johann Wachtmeister, Reichsrat und Großadmiral der ganzen schwedischen Flotte. Die Frau Mutter war Henriette Baronesse von Metsch und die Großmutter eine Gräfin Archenberg. – Im zwanzigsten Jahre ihres Alters ward sie mit dem Grafen Johann Ludwig Hordt, damals königlich schwedischer Oberst, jetzt königlich preußischer Generallieutenant und Gouverneur der Veste Spandau, Erbherr auf Sacrow, vermählt. In dieser Ehe hat sie vier Kinder geboren, davon nur noch der zweite Sohn lebt, Graf Karl Ludwig Hordt, geboren 1749, jetzt Lieutenant beim Regiment Prinz Leopold von Braunschweig zu Frankfurt an der Oder und Adjutant des Prinzen. In den letzten Jahren stand sie manche Schwachheit des Körpers aus. Es waren gichtische Zufälle, die ihren Tod beschleunigten. Von Person ansehnlich,

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