Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
Feldmarschalls ist in den weißgetünchten Raum eingezogen: er selber, seine zweite Frau, seine zwei Söhne zweiter Ehe. Die Wuster Linie war mit ihnen ausgestorben, und die Linie des anderen Bruders, des Kammerpräsidenten, war jetzt Besitzer von Wust geworden.
Aber auch dieser ältere Bruder hielt sich fern. Es schien, als ob Wust nur noch dazu dienen sollte, Begräbnisplatz der Familie zu sein.
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Wust 1775
So blieb es bis zum Tode des Kammerpräsidenten (1760), auch noch einige Jahre drüber hinaus.
In der Mitte der sechziger Jahre aber begann hier ein neues Leben, und abermals zehn Jahre später stand es auf seiner Höhe. Solche Tage hatte Wust nie gesehn. Leid war in Freude verkehrt, und man gedachte nicht mehr des Novembers 1730. Das Füllhorn königlicher Gnade war über alles ausgeschüttet worden, was von Katte hieß, und man freute sich dieser Gnade und ließ die Toten ruhn. Es waren Zeiten, wo sich das Leben ums Leben drehte und nicht mehr um den Tod.
Der Besitzer Wusts um diese Zeit war Ludolf August von Katte, der älteste Sohn des Kammerpräsidenten. Der enthauptete Vetter, der in der Gruft stand, machte ihm wenig Sorge. Jenen hatte der Zorn des einen Königs, ihn hatte die Gnade des andern getroffen. Er war ein Glückskind, wie jener ein Kind des Unglücks gewesen war. Nicht nur, daß ihm Wust aus der Hinterlassenschaft des Vaters als Erbe zugefallen, nein, sein Glück zeigte sich ganz besonders auch darin, wie er zu einer Frau kam. Der König, der, vom Momente seiner Thronbesteigung an, sich in Aufmerksamkeiten gegen die Kattes erging, hatte, wie er das liebte (er war ein rechter Partienmacher), unter andern auch eine reiche Erbtochter, und zwar eine Rolas du Rosey, für den zweiten Sohn des Kammerpräsidenten ausgesucht. Die Kattes, ihrerseits verwöhnte Leute, wollten sich nicht so ohne weiteres drangeben und deputierten den ältesten Bruder, um zu erforschen, »wie es eigentlich stünde«. Denn es war bekannt, daß der König nur Geld heiraten stiftete und körperliche Gebrechen nie als ernstliches Hindernis betrachtete. Ludolf August brach also auf. Er fand die Erbtochter derart, daß er, seines eigentlichen Auftrages vergessend, als verlobter Bräutigam nach Wust zurückkehrte. Der getäuschte Bruder fand sich ohne Schwierigkeit in das fait accompli und der König noch viel mehr. Ihm lag nur daran, den Kattes eine Guttat anzutun; welchem Gliede der Familie, war zuletzt gleichgiltig. Die Vermählung erfolgte, und ein reiches, heiteres, glückliches Paar hielt seinen Einzug in Wust.
Was Wust an Trümmern alter Herrlichkeit noch aufweist, stammt aus der Epoche, die nun begann. Aus dem Garten wurd ein großer Park mit künstlichen Teichen; seltene Bäume, aus England über Hamburg bezogen, reihten sich zu Alleen, und zwischen den Stämmen der alten, vorgefundenen Ulmen, die nun zu Laubengängen hergerichtet waren, erhoben sich Statuen, unter Vorantritt von Flora und Pomona. Ein Verkehr begann, für den das Rheinsberger Leben das Vorbild und das Leben in Tamsel, in Schwedt, in Friedrichsfelde die Parallelen lieferte: Schäferspiele, Theater im Freien, Grotten und Tempel, Coquetterie und Courmachen, Kunstprätensionen ohne Sinn und Verständnis, wenig Witz und viel Behagen. Eine ganze Seite des Hauses bestand aus Gesellschaftszimmern, an den Wänden hin hingen große Tableaux, und die Tafel, wenn im Gartensaal gedeckt wurde, zeigte fürstliche Pracht. Auf der Tafel selbst aber, als Tafelaufsatz, standen die zwölf Apostel in Silber. Das Silberzeug, das auflag, hatte den Wert eines Rittergutes. Es verlohnte sich schon, diesen Reichtum zu entfalten, denn der Verkehr des Hauses ging über den benachbarten Landesadel hinaus, und prinzliche Kutscher und Vorreiter waren damals eine häufige Erscheinung an dieser Stelle. Die Dame des Hauses war mit der Gemahlin des Prinzen Ferdinand, einer geborenen Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, intim befreundet, und man divertierte sich bei diesen Gelegenheiten um so mehr, als es in der Friderizianischen Zeit ein eigentliches Hofleben nicht gab und, bei der Seltenheit großer Couren und dem Fehlen einer allgemeineren Hofgeselligkeit die kleinen Hofhaltungen (an denen dann auch der reichere Landesadel teilnahm) für das aufkommen mußten, woran es im großen und ganzen gebrach.
Das waren heitere, stolze Stunden, aber doch weit über die Mittel der alten märkischen Familien hinausgehend, und so kam es, daß Insolvenzen alsbald an der Tagesordnung
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