Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
gewesen war.
Aber mehr als das. Nicht bloß über das Gut war eine rettende Hand gekommen, ebenso über den Erinnerungsschatz , den das alte Herrenhaus umschloß. Vieles, das meiste war zerstört. Manches aber hatte der Zerstörung getrotzt, und noch anderes, wie bereits hervorgehoben, hatte sich in Ecken und Winkeln der Hand des Vandalismus entzogen. Dies alles wurde jetzt hervorgesucht, gesammelt, geordnet. Frau von Katte, mit sich gleichbleibender Pietät, dazu mit immer wachsender Liebe für die Aufgabe, die sie sich gesetzt, stellte aus Bruchstücken vieles wieder her, und ihrem unermüdlichen Eifer verdanken wir das meiste von dem, was wir hier mitteilen konnten.
Ein heller Augusttag führte uns als Gast in das alte, nun wiederhergestellte Herrenhaus. Der große Empfangssaal nahm uns auf, in dem einst (im Oktober 1806, wenn ich nicht irre) Marschall Soult gesessen und dekretiert hatte.
Es ist dies das interessanteste Zimmer des Hauses. Das meiste von seinen alten Erinnerungsstücken findet sich hier zusammen, namentlich von Bildern. Drei derselben stammen aus der historischen Zeit von Wust, also aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Es sind der Feldmarschall von K. in Koller und Küraß, seine Gemahlin zweiter Ehe und der Sohn erster Ehe, Haus Hermann. Das Bild des letzteren, der hier etwa vierundzwanzig Jahre alt erscheint, nimmt selbstverständlich das Hauptinteresse in Anspruch. Er trägt die Uniform des Regiments Gensdarmes, dazu das gepuderte Haar rechts und links in drei Locken gelegt. Seine Züge, weder hübsch noch häßlich, verraten Klugheit, Energie und einen gewissen Standesdünkel. Der Kunstwert ist nur ein mittlerer. Auch scheint es durch Übermalung gelitten zu haben. Vergleiche Band II, Seite 331 .
Wir musterten diese und andere Bilder. Dann, nach einem Umgange durch das Haus, schritten wir über die Dorfgasse hin, um zunächst der alten Kirche, dann dem Gruftanbau unseren Besuch zu machen. In der Kirche war seit 150 Jahren so ziemlich alles beim alten geblieben, die Grabsteine, die wir eingangs geschildert, standen noch an alter Stelle, und nur einige Deckenmalereien hatten dem Ganzen mehr Farbe, wenn auch freilich nicht mehr Schönheit gegeben.
Wenn nun aber die Kirche wenig verändert war, wie anders war es in der Gruft geworden! Sarg bei Sarg, der Raum gefüllt bis auf den letzten Platz. Dazu ein völliges Dunkel; die weiße Tünche längst einem tiefen Grau gewichen. Wir öffneten beide Torflügel, um etwas Helle zu schaffen, und der eindringende Luftzug setzte die Spinnweben am Portal in Bewegung. Aber dies Licht von außen war zu schwach, es drang nur zwei Schrittbreit in die dunkle Behausung ein, und dahinter blieb alles Nacht.
Ein Kind, das uns begleitet hatte, wurde deshalb mit der Weisung zurückgeschickt, daß ein Diener Licht bringen solle. Mittlerweile setzten wir uns auf das dürre Gras verfallener Gräber und sahen in die Gruft hinein, die, voll geheimnisvollen Zaubers, mit ihrem Pomp und ihrem Grausen vor uns lag.
Machte dies schon einen Eindruck auf mich, so verschwand es neben dem Bilde, das die nächsten Minuten brachten.
Ein reichgalonierter Diener kam vom Herrenhause herüber und schritt mit einem doppelarmigen, silbernen Leuchter in der Hand über den Kirchhof hin und auf uns zu. Wir erhoben uns. Der Diener nahm den Vortritt, strich mit einem Phosphorholz an dem rostigen Eisenbeschlag des einen Türflügels entlang, zündete die beiden Wachskerzen an und trat dann dienstmäßig und völlig ruhig zwischen die dicht gestellten Särge. Wir folgten, so gut wir konnten. Als wir die Mitte der Gruft erreicht hatten, hob er den Leuchter höher. Es war ein Bild, das ich mein Lebtag nicht vergessen werde. Die Kerzen warfen helle Streifen durch das Dunkel, und von der Decke herab wehte es in langen, grauen Fahnen. Stein- und Eichensärge ringsum. Inmitten dieser Machtzeugen des Todes aber bewegten wir uns in der ganzen Buntheit modernen Lebens, die lange blaue Seidenrobe der einen Dame bauschte und knisterte bei jeder Bewegung, und die Tressen und Fangschnüre des Dieners blitzten im Licht.
Wir standen jetzt so, daß wir durch Heben und Senken unserer zwei Kerzen die prächtigsten Sarkophage: den Steinsarg des Feldmarschalls und rechts und links daneben die Särge seiner beiden Gemahlinnen, ohne Mühe sehen und ihre Ausschmückung bewundern konnten. Aber wo stand Hans Hermann ? Wir taten scheu die Frage, die der Diener seinerseits ohne jegliches Bedenken
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