Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
reussieret, so wird ihn der König wohl arretieren lassen. Ich kann nichts weiter tun als seufzen, ihn Gott und des Königs Erbarmung überlassen. Adieu, mein lieber Bruder. Gott stärke uns in unserem Elend. Ich bin Euer treuer Bruder H. H. Katt.«
Dieser Brief trägt das Datum: Königsberg, 25. August. Es ist sehr bemerkenswert, daß der Vater Hans Hermanns von Katte in diesem Schreiben sich ganz auf die Seite des Königs stellt. Die Loyalität ging noch über das Vaterherz. Es darf nicht wundernehmen, da aus spätren Briefen hervorgeht, daß dem Generallieutenant damals noch der Gedanke fernlag, der König werde aus der Affaire ein Kapitalverbrechen machen. Man kannte das cholerische Temperament Friedrich Wilhelms, seine strengen Ansichten über »Dienst«, nichtsdestoweniger rechnete man auf Gnade. Niemand erwartete ein Äußerstes . Aber gerade das Äußerste kam. Das Votum des Kriegsgerichts zu Köpenick hatte auf dauernde Gefängnisstrafe gelautet. Der König, aus souveräner Machtvollkommenheit, stieß das Urteil um und (vielleicht ein einzig dastehender Fall in der Geschichte) schärfte das Urteil und verwandelte die Kerkerstrafe in Tod, unter Anfügung jener berühmt gewordenen Worte: »es wäre besser, daß Katte stürbe, als daß die Justiz aus der Welt käme«.
Das war am 1. November. Am 2. November kannte Hans Hermann von Katte sein Schicksal, am 3. begann seine Überführung nach Küstrin, am 5. mittags traf er ein, und am 6. früh fiel sein Haupt.
Über all dies hab ich in dem Kapitel » Die Katte-Tragdödie «, Band II, Seite 299 bis 339, ausführlich berichtet.
Die letzte Szene der Tragödie, die Beisetzung, führt uns wieder nach Wust.
Ein bleierner Novemberhimmel hing über Dorf und Landschaft, auf Feldern und Wegen standen Wasserlachen, und an den Ebereschenbäumen blinkten einzelne Regentropfen. Es war um die fünfte Stunde, die Sonne, die den ganzen Tag über nicht geschienen hatte, blinzelte im Untergehen über die triste Landschaft hin.
Denselben Ebereschenweg, den damals der Oberst von Katte entlangtrabte, kam jetzt ein schmaler Leiterwagen mit zwei mageren Pferden herauf. Der Kutscher ging nebenher, müd und matt, und tapste durch die Regentümpel, die zu umgehen ihm den Weg verlängert hätte. Der Wagen selbst gab ihm keinen Platz mehr, denn auf dem schmalen Brett stand ein langer Sarg, schwarz gestrichen, schmucklos, ohne Haspen und Beschlag.
Es dunkelte schon, als das Fuhrwerk vor dem Herrenhause hielt. Auf dem Vorplatze standen mehrere Leute aus dem Dorf, in ihrer Mitte der alte Jerse, ein Siebziger jetzt, mit einer Laterne in der Hand. Zwei von den Tagelöhnern nahmen die Pferde vorn am Zügel, und Jerse schritt vorauf. So bogen sie quer über die Straße, nach der gegenübergelegenen Seite des Dorfes ein und fuhren langsam über den holprigen Kirchhof hin, bis sie vor der angebauten Gruft hielten.
Drinnen war alles unverändert geblieben; ein einziger Steinsarkophag in einem weißgetünchten Raume. »Nu droagt em in«, sagte Jerse, und die beiden Männer, die bis dahin die Pferde geführt hatten, suchten jetzt an dem Sarge umher, um einen Handgriff zu finden. Aber nichts der Art war da. So schoben sie denn das Brett, auf dem der Sarg stand, von vorn nach hinten, faßten das Brett oben und unten und trugen es, samt dem Sarge, in den Anbau hinein. Als sie in der Mitte der Gruft standen, fragte der Vorderste: »Wo sall he hen?« Jerse schien unschlüssig und trat an den steinernen Sarkophag: »'t is ehr Söhn. Awer et jeiht nich. Stellt em in de Eck.« Und sie setzten alles nieder, hoben den Sarg einen Augenblick und zogen das Brett fort. Und nun schlossen sich die Torflügel wieder, und über den Kirchhof hin, an den schattenhaft dastehenden Kreuzen vorbei, verschwand das Fuhrwerk im Dunkel. Jerse blieb noch. Er leuchtete außen an der Gruft umher und murmelte, wie greisenhafte Leute tun, Unverständliches vor sich hin, schüttelte dabei den Kopf und tappte zuletzt, wie ein Irrer, zwischen den Gräbern hin in seine Wohnung zurück.
So wurde Hans Hermann von Katte beigesetzt. Ohne Sang und Klang. Seine Familie hatte seinen Leichnam freigebeten, und die Gnade des Königs hatte es gewährt.
Wust 1748
Wieder achtzehn Jahre später. Im Herrenhause zu Wust ist es still geblieben wie vordem, die Zimmer sind leer, und nur die Gruft hat sich gefüllt. Die Mutter Hans Hermanns und er selber sind längst nicht mehr die einzigen Bewohner darin. Die ganze Familie des
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