Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
gelegentlich auch im ganzen voneinander ab.
    Es wird also schwerlich jemals glücken, aus dem Geist und Inhalt der Prophezeiung, wie so vielfach versucht worden ist, ihre Unechtheit zu beweisen. Diese Dinge appellieren an das Gefühl, und bei dem poetischen Geschick, das aus dem Vaticinium unverkennbar spricht, empfängt dieser Appell keine ungünstige Antwort. Es ist nicht zu leugnen, daß, wenn man Geist und Ton der Dichtung durchaus betonen will , beide mehr für die Echtheit als gegen dieselbe sprechen. Beispielsweise die Schlußzeilen:
    Endlich führet das Zepter, der der Letzte seines Stammes sein wird,
Israel wagt eine unnennbare, nur durch den Tod zu sühnende Tat,
Und der Hirt empfängt die Herde, Deutschland einen König wieder.
Die Mark vergißt gänzlich aller ihrer Leiden
Und wagt die Ihrigen allein zu hegen, und kein Fremdling darf mehr frohlocken,
Und die alten Mauern von Lehnin und Chorin werden wieder erstehen,
Und die Geistlichkeit steht wieder da nach alter Weise in Ehren,
Und kein Wolf stellt mehr dem edlen Schafstalle nach.
    Selbst diese matte Übersetzung der volltönenden Verse des Originals hat noch etwas von prophetischem Klang.
    Die Frage wird nicht aus dem Inhalt, sondern umgekehrt einzig und allein aus der Form und aus äußerlich Einzelnem heraus entschieden werden.
    Guhrauer hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß sich in der Weissagung (Zeile 63) das Wort »Jehova« vorfinde, und hat daran die Bemerkung geknüpft, daß dieser Ausdruck »Jehova«, anstelle des bis dahin üblichen »Adonai«, überhaupt erst zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts gebräuchlich geworden sei. Bis dahin habe man den Ausdruck oder die Lesart »Jehova« gar nicht gekannt. Ist diese Bemerkung richtig, so ist sie mehr wert als alle andern Halbbeweise zusammengenommen. Gleichviel indes, ob richtig oder nicht, der Weg , der in dieser Guhrauerschen Bemerkung vorgezeichnet liegt, ist der einzige, der zum Ziele führen kann. Nur Sprachforscher, Philologen, die, ausgerüstet mit einer gründlichen Kenntnis aller Nuancen mittelalterlichen Lateins, nachzuweisen imstande sind: »dies Wort, diese Wendung waren im dreizehnten Jahrhundert unmöglich«, nur sie allein werden den Streit endgültig entscheiden.
    Das Resultat einer solchen Untersuchung, wenn sie stattfände, würde lauten: »unecht«. Darüber unterhalte ich, sowenig ich mich mit den bisherigen Verwerfungsbeweisen habe befreunden können, nicht den geringsten Zweifel. Aber auch der gegenteilige Beweis würde das alte Interesse an dieser Streitfrage nicht wiederbeleben können. Denn die Ereignisse haben mittlerweile die Prophezeiung überholt. Seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. ist sie falsch geworden, gleichviel ob sie echt ist oder nicht. Diesen Unterschied zwischen »unecht« und »falsch« ziemt es sich durchaus zu betonen. Schon Guhrauer hat sehr richtig darauf aufmerksam gemacht, daß der Text der Prophezeiung echt und die Prophezeiung selber doch eine falsche , das heißt eine unerfüllt gebliebene sein könne. »Eine unerfüllt gebliebene« – so fügt er hinzu –, »gleich so vielen anderen falschen Prophezeiungen, deren Authentizität von niemand bezweifelt worden ist.«
    Friedrich Wilhelm III. war bereits der elfte Hohenzoller nach Joachim I.; der Zeiger an der Uhr ist über die verhängnisvolle Stunde ruhig hinweggegangen, die Hohenzollern leben, und nur die Weissagung, echt oder nicht, ist tot.
----
    Aus der Epoche von vor 1690 sind auch (aus einem andern Grunde noch als aus dem eben bei George Wilhelm angeführten) die vier Zeilen merkwürdig, die sich auf Kurfürst Friedrich I., den ersten Hohenzoller, beziehn. Sie lauten:
    Wahrheit sprech ich: Dein Stamm, der zu langem Alter bestimmt ist,
Wird einst mit schwacher Gewalt die heimischen Gauen beherrschen,
Bis zu Boden gestreckt, die einst in Ehre gewandelt,
Städte verwüstet und frech beschränkt die Herrschaft der Fürsten.
In diesen vier Zeilen, wenn wir eine Post-fact-Prophezeiung annehmen wollen (was wir, schon hier sei es gesagt, wirklich tun), erschwert sich der Dichter seine Aufgabe freiwillig , und anstatt im Prophetenton Dinge über die Regierungszeit Friedrichs I. zu sagen, die er 1690 allerdings wissen konnte, ohne ein Prophet zu sein, verschmäht er diese bequeme Aushülfe völlig und knüpft vielmehr Betrachtungen an die Erscheinung des ersten Hohenzollern, die, selbst von 1690 ab gerechnet, noch in der Zukunft lagen. Er machte sich's also nicht leicht, hatte

Weitere Kostenlose Bücher