Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
sich's über uns zusammen, und kein Wind machte sich mehr auf, das Gewölk zu zerstreuen. So ging es an den alten Stätten vorbei, am Forsthaus, am Remontedepot, an dem Elsbusch, aus dem uns Lampe, der »Jäger«, so bedrohlich entgegengetreten war. Als wir Finkenkrug erreichten, war es die höchste Zeit, wenn uns daran lag, mit den Extrazüglern, die eben in Sektionen formiert aufbrachen, den Rettungshafen der Eisenbahn zu gewinnen. Musik vorauf, so ging es durch die letzte Waldstrecke. Die Pauke tat wieder ihr Äußerstes, als plötzlich einer rief: »Pauke still!« Und sie schwieg wirklich. Über das weite Himmelsgewölbe hin rollte der erste Donner. In den Wipfeln begann ein unheimliches Wehen, die obersten Spitzen brachen fast. »Rasch, rasch«, hieß es, »Laufschritt«; alles drängte durcheinander, »sauve qui peut«, und der Zug, der schon hielt, wurde im Sturm genommen. In demselben Augenblick aber brach es los; die Blitze fuhren nieder, das Gekrach überdröhnte das Gerassel des Zuges; wie ein Wolkenbruch fiel der Regen.
Als wir eine Stunde später, im klapperigen Gefährt, über die Alsenbrücke fuhren, auf den Tiergarten zu, stand das Wasser in Lachen und Lanken. Wer um diese Stunde vom Finkenkrug bis zur »Königseiche« gewandert wäre, der hätte wohl den Brieselang gesehen wie vor tausend Jahren!
----
Diese Verse, wie ich nachträglich erfahre, rühren nicht aus der Jahnschen Zeit her, sondern sind erst vor kaum zwanzig Jahren niedergeschrieben und an der Brieselang-Eiche befestigt worden. Das geschah an einem heißen Augustnachmittage 1862 durch zwei Mitglieder des kurz zuvor gegründeten Nauener Turnvereins. Der eine dieser beiden Turner hatte die Verse verfaßt, der andere die technische Niederschrift geliefert. Beide Turner blieben seitdem vereint; sie dienten in demselben Truppenteil der Garde: sie fochten am 3. Juli bei Königgrätz; und abermals an einem heißen Augusttage, heißer als jener Wandertag, der sie acht Jahre vorher zur Königseiche geführt hatte, stürmten sie gemeinschaftlich gegen St-Privat . Beide fielen schwerverwundet der eine durch den Schenkel, der andere durch die Brust geschossen; beide sind genesen. ._.
----
Der Eibenbaum im Parkgarten des Herrenhauses
Die Eibe
Schlägt an die Scheibe.
Ein Funkeln
Im Dunkeln.
Wie Götzenzeit, wie Heidentraum
Blickt ins Fenster der Eibenbaum.
Nicht voll so alt wie die Brieselang-Eiche, von der ich im letzten Kapitel erzählt habe, aber doch auch ein alter oder sehr alter Baum ist die Eibe , die in dem Parkgarten hinter dem Herrenhause steht. Von ihr will ich, einschaltend, an dieser Stelle erzählen.
Der Stamm dieses Baumes, wie es seiner Art 1) in den Marken keinen zweiten gibt, ist etwa mannsdick, und die Spannung seiner fast den Boden berührenden Zweige wird dreißig Fuß sein. Die Höhe beträgt wenig mehr. Aus der Dicke des Stammes hat man das Alter des Baumes berechnet. Man kennt Taxusbäume, die nachweisbar 200 bis 300 Jahre alt sind; diese sind wesentlich kleiner und schwächer als der Baum, von dem ich hier spreche. Man kennt ferner einen Taxusbaum (bei Fürstenstein in Schlesien), der nachweisbar 1 000 Jahr alt ist, und dieser eine ist um ein gut Teil höher und stärker als der unsrige. Dies läßt für diesen auf ein Alter von 500 bis 700 Jahren schließen, und das wird wohl richtig sein.
Dieser unser Taxusbaum war vor hundert oder hundertzwanzig Jahren eine Zierde unseres Tiergartens , der damals bis an die Mauerstraße ging. Als später die Stadt in den Tiergarten hineinwuchs, ließ man in den Gartenstücken der nach und nach entstehenden Häuser einige der schönsten Bäume stehen, ganz in derselben Weise, wie man auch heute noch verfahren ist, wo man die alten Elsen und Eichen von »Kemperhof« wenigstens teilweise den Villen und Gärten der Viktoriastraße belassen hat.
Unser Taxusbaum, jahrhundertelang ein Tiergarten baum, wurde, ohne daß er sich vom Fleck gerührt hätte, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein Garten baum. Und noch etwa zwanzig Jahre später tritt er aus seiner bis dahin dunklen Vergangenheit in die Geschichte ein.
Zu Anfang dieses Jahrhunderts gehörten Haus und Garten dem Generalintendanten von der Recke, der öfters von den königlichen Kindern, zumal vom Kronprinzen, dem späteren König Friedrich Wilhelm IV., Besuch empfing. Der Kronprinz liebte diesen von der Reckeschen Garten ganz ungemein; es wurde ein bevorzugter Spielplatz von ihm, und der alte Taxusbaum
Weitere Kostenlose Bücher