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Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ist eine, die es mir besonders angetan hat, das ist die Stimme des Leather-head. Leather-head heißt Lederkopf, ein Name, den dieser Vogel führt, weil er einen völlig kahlen Kopf hat. Ich will Ihnen die Melodie pfeifen; sie geht leise; Sie müssen scharf aufhorchen.«
    Unser Reisegefährte pfiff nun in langgezogenen Tönen die Klagemelodie des Leather-head. Selbst im Walde war es still geworden. Es war, als ob die Vögel drinnen mit zu Rate säßen.
    »Das ist schön«, sagte der Förster, »aber Ihr Engländer kann sich die Melodie erfunden haben.«
    »Ich gestehe«, fuhr unser Reisegefährte fort, »daß ich dann und wann denselben Verdacht hatte. Aber denken Sie, wo mir plötzlich die Gewißheit kam! Sie haben vom Aquarium gehört. Nun, in dem Aquarium befindet sich auch eine Vogelhecke, die mir das Liebste vom Ganzen ist. Jeder hat so seinen Geschmack. Und wie ich nun den Gang entlangkomme und das Gezwitscher der anderen Vögel einen Augenblick schweigt, was höre ich da plötzlich aus der Volière heraus? Die leisen, langgezogenen Töne meines Leather-head, einmal, zweimal, dreimal. Mir war, als ob ich einen alten Bekannten wiedersähe. Da saß er und starrte mich lange an, wie wenn er gefühlt hätte: der hat dich verstanden.«
    Alles schwieg. Der Erzähler pfiff die Melodie noch einmal. Dann knipste der Förster mit den Fingern und sagte: »Nichts für ungut, aber ich bin doch für eine richtige Brieselang-Drossel; ihr Leather-head hat mich ganz melancholisch gemacht. Ich bin fürs Fidele.«
    »Ich auch, ich auch«, riefen die anderen. Der Lederkopf war abvotiert.
    Inzwischen begann sich Gewölk am Himmel zu sammeln. Dann brach die Sonne wieder durch, aber die Schwüle wuchs. »Haben Sie viel Gewitter im Brieselang?« fragte ich.
    »Oft nicht, aber wenn sie kommen, kommen sie gut. Im vorigen Juli ging's hier eine Stunde toll her. Sehen Sie dort die Brandstelle« (er zeigte nach rechts); »da stand vor Jahresfrist noch das Remontedepot, 180 Pferde, alle schwarz.«
    »Und es schlug ein?«
    »Es schlug ein, und es gab ein Wetter, wie ich's hier nicht wieder haben möchte, und doch war es zugleich eine Stunde, daß mir das Herz im Leibe lacht, wenn ich daran denke. Da habe ich gesehen, was ein preußischer Futtermeister ist.«
    »Ein Futtermeister?«
    »Ja, solch Remontedepot, müssen Sie wissen, hat einen Wachtmeister von altem Schrot und Korn, der regiert das Ganze; er ist wie ein kleiner König. Und ich sage Ihnen, dieser Futtermeister,... nun, der verstand's. Das Remontedepot hatte acht Türen. Als nun das Wetter über uns stand und die ersten Blitze herunterfuhren, stellte er seine acht Knechte an die acht Eingänge, sich selber aber mitten auf diesen Platz da.
    Da stand er wie ein Feldherr, während das Feuer in breiten Scheiben niederfiel. ›Kerls‹, schrie er, ›wenn ich rufe: »Vorwärts, Türen auf!«, dann ist's Zeit, dann hat's eingeschlagen.‹ So vergingen wohl zehn Minuten; die Blitze ließen nach, ein Hagelwetter kam, Körner wie die Taubeneier. Mit einemmal schwieg auch das; der Hagel war wie abgeschnitten. Aber im nächsten Augenblick ›Krach!‹, und der Blitz lief über den First hin. ›Vorwärts!‹ Alle Türen flogen auf; die Schloßen fielen nieder wie ausgeschüttet, und im nächsten Moment jagten die 180 schwarzen Pferde an mir vorbei, hier über die Brücke hin, in die Butenheide hinein, auf Pausin zu. Zwölf Minuten später hatten wir die Spritzen hier; denn als die 180 schwarzen Pferde wie die Wilde Jagd durchs Dorf jagten, da wußten die Pausiner, was los war. ›Das Remontedepot brennt‹, und heidi ging's in den Wald hinein, auf das Depot zu. Solch Wettfahren hat die alte Butenheide ihr Lebtag nicht gesehen. Ein schöner Tag war's, aber ich mag ihn nicht wieder erleben.«
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    ._.
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3. Die Königseiche
    Man sieht noch am zerhaunen Stumpf,
Wie mächtig war die Eiche.
    Uhland

     
    Diese Erzählung konnte nicht umhin, uns leise daran zu mahnen, daß wir noch einen Teil unserer Wanderung vor uns hätten, ein letztes Drittel, einen Schlußabschnitt, den es auf alle Fälle gut sei hinter sich zu haben, um so mehr, als das sich ansammelnde, grell durchleuchtete Gewölk am Himmel das Einbrechen eines Brieselang-Gewitters nicht geradezu unwahrscheinlich machte.
    Ein Wind machte sich auf, das Gewölk zerstreute sich wieder, die Schwüle ließ nach; so ging es vorwärts. Als wir den entgegengesetzten Waldrand nahezu erreicht hatten, nahm unser Führer die Tête und brach mit dem

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