Wanderungen durch die Mark Brandenburg
auch ein allmächtiger Minister irgendwo die
Grenzen seiner Allmacht finden müsse, hatte weder
seinen Frieden noch seine Heiterkeit getrübt. Die
»Gräfin«, eine Benennung, die ihr vielfach blieb, hat-
te ihr Leben nach dem Satze eingerichtet, daß, »wer
der Herrschefähigste sei, auch die Herrschaft zu füh-
ren habe«, und dies scheint uns der Ort, ehe wir in
der Vorführung biographischen Materials fortfahren,
2011
eine Charakterschilderung der Frau einzuschalten.
Ihren Mann, trotz all ihrer Herrschsucht, liebte sie
wirklich, und noch in den letzten Lebensjahren pfleg-
te sie halb scherzhaft zu sagen: »Wenn ich im Him-
mel meinem ersten Mann begegnen werde, so weiß
ich nicht, wie er mich begrüßen wird, aber vor mei-
nem Bischofswerder ist mir nicht bange.«
Die »Gräfin«, auch wenn uns nichts Zuverlässigeres
vorläge als das Urteil ihrer Neider und Tadler, war
jedenfalls eine »distinguierte« Frau. Es mußte seinen
Grund haben, daß zwei Günstlinge sich um ihre
Gunst bewarben. Ein Enkel von ihr mochte mit Fug
und Recht schreiben: »Die in meinen Händen befind-
lichen Papiere, leider nur Bruchstücke, geben ganz
neue Aufschlüsse. Reichen sie auch zu einer klaren
geschichtlichen Darstellung nicht aus, so haben sie
mir doch einen genügenden Anhalt geboten, die für
Preußens Größe begeisterte , die kühnsten Wünsche und Pläne hegende Frau verstehen zu lernen und die
Bitterkeit zu begreifen, als sie mehr und mehr ein-
sah, daß nicht die Macht der Verhältnisse, sondern die Schwäche der Menschen alles vereitelte und häufig in das Gegenteil verkehrte.« Wir haben nicht
selbst Einblick in die Papiere, die hier erwähnt wer-
den, nehmen dürfen, aber nach allem, was uns sonst
vorliegt, sind wir geneigt, diese Schilderung für rich-
tig zu halten. Sie war keine liebenswürdige, aber
eine bedeutende Frau, ein ausgesprochener Charak-
ter.
In den zahlreichen mehr oder weniger libellartigen
Schriften jener Zeit wie auch im Gedächtnis der Mar-
2012
quardter Dorfbewohner, von denen sie noch viele
gekannt haben, lebt sie allerdings nur in zwei Eigen-
schaften fort, als habsüchtig-geizig und bigott-
katholisch. In den mehrfach schon zitierten »Ver-
trauten Briefen« finden wir zunächst: »Herrn von
Bischofswerders Ehehälfte läßt sich jedes gnädige
Lächeln mit Geld aufwiegen«, und an anderer Stelle
heißt es: »Die in Südpreußen veranstalteten Güter-
verschleuderungen waren ihr Werk, indem sie ihrem
Manne beständig sagte: ›Sie werden wie ein Bettler
sterben, wenn Sie nicht noch die letzten Tage des
Königs benutzen, um etwas für Ihre Familie zu
tun.‹«
Das Fundament dieser Habsucht war mutmaßlich
mehr Ehrgeiz als irgend etwas andres. Sie wußte:
»Besitz ist Macht«, und die Jahre, so scheint es,
steigerten diese Anschauung eher, als daß sie sie
mäßigten. Ein Mann, der sie in ihren alten Tagen
kannte, schreibt: »Sie war herb und hart, ertragbar
nur im Verkehr mit kleinen Leuten und ausgiebig nur
in Auflegung von Schminke.«
Ihr Katholizismus war von der ausgesprochensten
Art, aber die Art, wie sie ihn übte, die Entschieden-
heit im Bekenntnis auf der einen Seite und anderer-
seits wieder die Toleranz gegen alle diejenigen, die
nun mal auf anderem Boden standen, gereichte ihr
zu hoher Ehre. Ignaz Feßler, früher Mönch, der zum
Protestantismus übergetreten war, kam 1796 nach
Berlin und – an Bischofswerder empfohlen – auch
nach Marquardt. »Bischofswerder wollte mir wohl«,
so schreibt er, »aber alles scheiterte an der Frau. Sie 2013
sah in mir nichts als den Abtrünnigen von der römi-
schen Kirche . Sie beherrschte ihren Gemahl vollständig, und um des lieben Hausfriedens willen durfte er
mich nicht mehr sehen.« Diese Strenge zeigte sie
aber nur dem Konvertiten . In Marquardt griff sie nie störend oder eigenmächtig in das protestantische
Leben in der Gemeinde ein, hatte vielmehr eine
Freude daran, die evangelische Kirche des Dorfes mit
allem Kirchengerät und Kirchenschmuck, mit Altar-
decke und Abendmahlskelch zu beschenken.
Wir kehren nach diesem Versuch einer Charakter-
schilderung in das Jahr 1803 zurück. Ihren Gemahl
hatte sie vollständig beherrscht; aber wenn sie nach
der Seite des Herrschens hin, bis zum Tode Bi-
schofswerders, des Guten zuviel getan haben moch-
te, so begannen doch nun alsbald die Jahre, wo die
»Gewohnheit des Herrschens« zu einem Segen wur-
de. Dieser Zeitpunkt
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