Wanderungen durch die Mark Brandenburg
geübt und nur seine Geheimtuerei, sein
Sich-verleugnen-Lassen und sein diplomatisch-
undeutliches Sprechen, das er »Bauchrednerei«
nannte, gelegentlich persifliert hatte, war nach die-
sen Unterredungen so entzückt, daß er ihre Auf-
zeichnung mit den Worten begleitet: »Ich gewann
den Mann lieb; er erschien mir einsichtsvoll, und ich
konnte mich nicht enthalten, ihn zu embrassieren.«
2005
Wenn nun auch einzuräumen ist, daß der immer Plä-
ne habende Massenbach durch ein solches Eingehen
auf seine Ideen bestochen sein mußte, so muß doch
auch die nüchternste Kritik, die an diese Dialoge he-
rantritt, eingestehn, daß sich überall ein Prinzip und
doch zugleich nirgends eine prinzipielle Verranntheit,
daß sich vielmehr Feinheit, Wohlwollen, Verständig-
keit und selbst Offenheit darin aussprechen. Ein
Mann, wie Bischofswerder gewöhnlich geschildert zu
werden pflegt, hätte eher eine Fluchtreise nach Ber-
lin oder nach Marquardt gemacht, als daß er sich
dazu verstanden hätte, sich einen langen Aufsatz
über die Neuorganisation des Generalstabes an zwei
Abenden vorlesen zu lassen. In dieser einen Tatsa-
che liegt ausgesprochen, daß er ein fleißiger, gewis-
senhafter, geistigen Dingen sehr wohl zugeneigter
Mann war.1)
Wir haben diese Zitate gegeben, um unsere Ansicht
über den gesunden Sinn Bischofswerders, über seine
Urteilskraft und seine politische Befähigung zu unter-
stützen; es bleibt uns noch die wichtige Frage zur
Erwägung übrig: War er ein rosenkreuzerischer
Charlatan? Was wir zu sagen haben, ist das Folgende: Ein Rosenkreuzer war er gewiß, ein Charlatan
war er nicht . Er glaubte eben an diese Dinge. Daß er, wie bei Aufführung einer Shakespeareschen Tragö-
die, mit allerhand Theaterapparat Geister zitierte,
eine Sache, die zugegeben werden muß, scheint da-
gegenzusprechen. Aber es scheint nur. Diese Gegen-
sätze, so meinen wir, vertragen sich sehr wohl mit-
einander.
2006
Es ist bei Beurteilung dieser Dinge durchaus nötig,
sich in das Wesen des vorigen Jahrhunderts, inson-
derheit des letzten Viertels, zurückzuversetzen. Die
Welt hatte vielfach die Aufklärung satt. Man sehnte
sich wieder nach dem Dunkel, dem Rätselhaften,
dem Wunder. In diese Zeit fiel von Bischofswerders
Jugend. Wenn man die Berichte über Schrepfer liest,
so muß jeder Unbefangene den Eindruck haben: Bi-
schofswerder glaubte daran. Selbst als Schrepfer zu
einer höchst fragwürdigen Gestalt geworden war,
blieb von B. unerschüttert; er unterschied Person
und Sache. Es ist, nach allem, was wir von ihm wis-
sen, für uns feststehend, daß er an das Hereinragen
einer überirdischen Welt in die irdische so aufrichtig
glaubte, wie nur jemals von irgend jemandem daran
geglaubt worden ist. Der gelegentliche Zweifel, ja,
was mehr sagen will, das gelegentliche Spielen mit der Sache ändert daran nichts. Wenn irgendwer,
groß oder klein, gebildet oder ungebildet, mit umge-
schlagenem weißen Laken den Geist spielt und auf
dem dritten Hausboden unerwartet einem andern
»Gespenst« begegnet, so sind wir sicher, daß ihm in
seiner »Geistähnlichkeit« sehr bange werden wird.
Ein solches Spiel, weitab davon, ein Beweis freigeis-
tigen Drüberstehns zu sein, schiebt sich nur wie ein
gewagtes Intermezzo in die allgemeine mystische
Lebensanschauung ein.
So war es mit Bischofswerder. Was ihn bewog, den
Aberglauben, dem er dienstbar war, sich jezuweilen
auch dienstbar zu machen , wird mutmaßlich unaufgeklärt bleiben; ein von Parteistreit unverwirrter Ein-
blick in sein Leben spricht aber entschieden dafür,
2007
daß es nicht zu selbstischen Zwecken geschah . Und das ist der Punkt, auf den es ankommt, wo sich Ehre und Unehre scheiden. Der Umstand, daß die ganze
Familie, weit über die letzten Jahre des vorigen Jahr-
hunderts hinaus, in dieser Empfindungswelt beharr-
te, ist bei Beurteilung der ganzen Frage nicht zu ü-
bersehen und mag allerdings als ein weiterer Beweis
dafür dienen, daß hier seit lange ein Etwas im Blute
lag, das einer mystisch-spiritualistischen Anschauung
günstig war.
Wir kommen in der Folge darauf zurück und wenden
uns zunächst einem neuen Abschnitt des Marquard-
ter Lebens zu.
1. Auch dies ist bestritten worden. Man gefiel
sich darin, den König, seinen Günstling, den
ganzen Hof als absolut unliterarisch, als tot
gegen alles Geistige darzustellen. Sehr mit
Unrecht. Ignaz Feßler, in seinem Buche
»Rückblicke auf
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