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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gelten zu lassen, und was abwich von dieser Regel, erwies sich
    schließlich immer nur als Schein, als ein Ausnahme-
    fall, der lediglich im Temperament und nicht in der Gesinnung seine Wurzel hatte. Der Sanguiniker hielt
    nicht jederzeit mit seinem Witzwort und der Choleri-
    ker nicht jederzeit mit seinem Kraft- und Kernwort
    zurück, aber all das schuf nur Ausdrucks- und Dispu-
    tationsformen, die hinter einer hervorblitzenden
    Kampfeslust eine letzte Friedensgeneigtheit nie ver-
    missen ließen. Ein Zug allgemeinen Wohlwollens,
    entsprossen aus der richtigen Würdigung einer auf
    Versöhnung und Liebe gestellten Berufs- und Le-
    bensaufgabe, bekundete sich in allem, in Großem
    und Kleinem, und rief mir die ganze Landpastoren-
    Schwärmerei meiner jungen Jahre wieder ins Leben
    zurück. Und aus ihren Reihen war es denn auch, daß mir meine recht eigentlichsten Mitarbeiter erwuchsen, solche, die sich's nicht bloß angelegen sein lie-
    ßen, mir den Stoff , sondern ebendiesen Stoff auch in der ihm zuständigen Form zu geben.

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    Und dabei welch erstaunliches Wissen im Detail.
    Immer neue Seiten in Historie, Natur- und Volksle-
    ben erschlossen sich mir und vergewisserten mich in
    der übrigens längst gehegten Überzeugung, daß der
    Glückliche, dem es dermaleinst beschieden sein soll-
    te, die Gesamtheit dieses in hundert Einzelforschungen eruierten und extrahierten Materials in sich zu
    vereinigen, der Sanspareil sein wird auf dem Gebiete
    märkischer Spezialgeschichte.
    Soviel über unsere Landpastoren.
    Und nun ahnt der Leser bereits, vor wem ich mich,
    als vor dem Dritten im Bunde, zu verneigen haben
    werde, natürlich vor dem Lehrer , der sich mir, unbekümmert darum, ob ich ihn bei seinen Schulstunden
    oder bei seinen Bienen- und Rosenstöcken störte,
    von einem immer gleichen Entgegenkommen erwies.
    Einen einzigen Ausnahmefall abgerechnet, über den
    ich in dem Kapitel »Malchow« des weiteren berichtet
    habe, hieß es allezeit und allewege: »Klopfet an, so
    wird euch aufgetan«, und selbst auf brieflich gestell-
    te Fragen, aus denen sich mehr als einmal eine voll-
    ständige Korrespondenz entwickelte, bin ich zu kei-
    ner Zeit ohne den gewünschten und oft sehr eingän-
    gigen Bescheid geblieben.
    Und mit diesen Lehrern auf dem Lande wetteiferten
    die Lehrer in der Stadt , aus deren Reihen ich wenigstens eines hier unter Nennung seines Namens ge-
    denken möchte: Garnisonschullehrer Wagener in
    Potsdam.

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    Unter seinem im Anfange sowohl ihm wie mir unbe-
    wußt bleibenden Einflusse war es, daß ich mich aus
    der historischen Vortragsweise, wie schon eingangs
    hervorgehoben, in die genrehafte zurückfand und
    den ursprünglichen Plauderton in sein ihm zuständi-
    ges Recht wieder einsetzte. Die ganze Gruppe der

Kapitel aus der Umgegend von Potsdam, also
    Bornstedt, Sacrow, Fahrland, Falkenrehde, Mar-
    quardt, Uetz und Paretz am Nordufer der Havel und
    ebenso Werder, Glindow, Petzow, Caputh etc. am
    Südrande hin, entstanden unter seiner Führung, und was von ernsten und heitren Geschichten unter all
    diesen Kapitelüberschriften enthalten ist, entnahm
    ich zu sehr wesentlichem Teile seinem immer fri-
    schen und anschaulichen, weil überall aus der Erleb-
    nisfülle schöpfenden Unterwegs-Gespräche. Mit einer
    wahren Herzensfreude denk ich an jene Sommer-
    nachmittage zurück, wo wir, von den Dörfern und
    Ziegelöfen am Schwielow-See heimkehrend, auf ei-
    ner vor ein paar ausgebauten Häusern von
    Alt Geltow liegenden Graswalze zu rasten und unser
    sehr verspätetes Vesperbrot aus freier Hand einzu-
    nehmen pflegten, ohne daß der Redestrom auch nur
    einen Augenblick gestockt hätte. Da vergaßen wir
    denn der Flüchtigkeit der Stunde, bis die Mondsichel
    über den kleinen Giebelhäusern stand und uns erin-
    nerte, daß es höchste Zeit sei, wenn wir, oder doch
    wenigstens ich , den Zug noch erpassen wollten. Und immer rascher und geängstigter ging es vorwärts,
    jetzt über die Gewehrfabrik und jetzt über den öden
    und sommerstaubigen Exerzierplatz hin, und nun
    hörten wir das erste Läuten. Oh, wie das ins Ohr
    gellte, denn die vollgestopfte Brücke lag noch zwi-

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    schen uns und unsrem Ziel. Also Trab, Trab! Und ein
    ewiges und verzweifeltes »Pardon« auf der Lippe,
    das uns freilich vor dem üblen Nachruf aller Karam-
    bolierten nicht schützen konnte, ging es endlich, zwi-
    schen den pickenden Sperlingen hin, entlang den
    Droschkenstand, entlang den Perron und nun hinauf
    die

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