Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Stelle an, an der das Boot
der Königin in jener Nacht gelegen hatte, wir schrit-
ten über den Hof hin, langsam, als suchten wir noch
die Fußspuren in dem hochaufgeschossenen Grase,
und lehnten uns dann über die Brüstung, an welcher
die alte Lady Douglas gestanden und die Jagd der
beiden Boote, des flüchtigen und des nachsetzenden,
verfolgt hatte. Dann umfuhren wir die Insel und
lenkten unser Boot nach Kinross zurück, aber das
Auge mochte sich nicht trennen von der Insel, auf
deren Trümmergrau die Nachmittagssonne und eine
wehmütig-unnennbare Stille lag.
Nun griffen die Ruder rasch ein, die Insel wurd ein
Streifen, endlich schwand sie ganz, und nur als ein
Gebilde der Einbildungskraft stand eine Zeitlang noch
der Rundturm vor uns auf dem Wasser, bis plötzlich
unsre Phantasie weiter in ihre Erinnerungen zurück-
griff und ältere Bilder vor die Bilder dieser Stunde
schob. Es waren Erinnerungen aus der Heimat, ein
unvergessener Tag.
Auch eine Wasserfläche war es; aber nicht Weiden-
gestrüpp faßte das Ufer ein, sondern ein Park und
ein Laubholzwald nahmen den See in ihren Arm. Im
Flachboot stießen wir ab, und sooft wir das Schilf am
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Ufer streiften, klang es, wie wenn eine Hand über
knisternde Seide fährt. Zwei Schwestern saßen mir
gegenüber. Die ältere streckte ihre Hand in das küh-
le, klare Wasser des Sees, und außer dem dumpfen
Schlag des Ruders vernahm ich nichts als jenes leise
Geräusch, womit die Wellchen zwischen den Fingern
der weißen Hand hindurchplätscherten. Nun glitt das
Boot durch Teichrosen hin, deren lange Stengel wir
(so klar war das Wasser) aus dem Grunde des Sees
aufsteigen sahen; dann lenkten wir das Boot bis an
den Schilfgürtel und unter die weit überhängenden
Zweige des Parkes zurück. Endlich legten wir an, wo
die Wassertreppe ans Ufer führt, und ein Schloß
stieg auf mit Flügeln und Türmen, mit Hof und Trep-
pe und mit einem Säulengange, der Balustraden und
Marmorbilder trug. Dieser Hof und dieser Säulen-
gang, die Zeugen wie vieler Lust, wie vielen Glanzes
waren sie gewesen? Hier über diesen Hof hin hatte
die Geige Grauns geklungen, wenn sie das Flöten-
spiel des prinzlichen Freundes begleitete; hier waren
Le Gaillard und Le Constant, die ersten Ritter des
Bayard-Ordens, auf und ab geschritten; hier waren
in buntem Spiel, in heiterer Ironie, fingierte Ambas-
saden aus aller Herren Länder erschienen, und von
hier aus endlich waren die heiter Spielenden hinaus-
gezogen und hatten sich bewährt im Ernst des
Kampfs und auf den Höhen des Lebens. Hinter dem
Säulengange glitzerten die gelben Schloßwände in
aller Helle des Tags, kein romantischer Farbenton
mischte sich ein, aber Schloß und Turm, wohin das
Auge fiel, alles trug den breiten historischen Stem-
pel. Von der andern Seite des Sees her grüßte der
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Obelisk, der die Geschichte des Siebenjährigen Krie-
ges im Lapidarstil trägt.
So war das Bild des Rheinsberger Schlosses , das, wie eine Fata Morgana, über den Leven-See hinzog, und
ehe noch unser Boot auf den Sand des Ufers lief, trat
die Frage an mich heran: So schön dies Bild war, das
der Leven-See mit seiner Insel und seinem Douglas-
Schloß vor dir entrollte, war jener Tag minder schön,
als du im Flachboot über den Rheinsberger See
fuhrst, die Schöpfungen und die Erinnerungen einer
großen Zeit um dich her? Und ich antwortete: nein.
Die Jahre, die seit jenem Tag am Leven-See vergan-
gen sind, haben mich in die Heimat zurückgeführt,
und die Entschlüsse von damals blieben unverges-
sen. Ich bin die Mark durchzogen und habe sie rei-
cher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte. Jeder
Fußbreit Erde belebte sich und gab Gestalten heraus,
und wenn meine Schilderungen unbefriedigt lassen,
so werd ich der Entschuldigung entbehren müssen,
daß es eine Armut war, die ich aufzuputzen oder zu
vergolden hatte. Umgekehrt, ein Reichtum ist mir
entgegengetreten, dem gegenüber ich das bestimm-
te Gefühl habe, seiner niemals auch nur annähernd
Herr werden zu können; denn das immerhin Um-
fangreiche, das ich in nachstehendem biete, ist auf
im ganzen genommen wenig Meilen eingesammelt
worden: am Ruppiner See hin und vor den Toren
Berlins. Und sorglos hab ich es gesammelt, nicht wie
einer, der mit der Sichel zur Ernte geht, sondern wie
ein Spaziergänger, der einzelne Ähren aus dem rei-
chen Felde zieht.
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Es ist ein Buntes, Mannigfaches, das ich
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