Wanderungen durch die Mark Brandenburg
»Bündnis mit Frankreich« und »Neuorganisa-
tion des Generalquartiermeisterstabes« – wohl das-
selbe, was wir jetzt Generalstab nennen.
In den »Memoiren« heißt es wörtlich: »Ich suchte
den General von Bischofswerder für meine Ansichten
zu gewinnen. Es hielt schwer, diesen Mann in seinem
Zimmer zu sprechen. Desto öfter traf ich ihn auf
Spazierritten. Er liebte den Weg, der sich vor dem
Nauenschen Tore, auf der sogenannten Potsdamer
Insel, längs der Weinberge hinzieht. Da paßte ich
ihm auf, kam wie von ungefähr um die Ecke herum
2002
und bat um die Erlaubnis, ihn begleiten zu dürfen.
Das Gespräch fing gewöhnlich mit dem Lobe seines
Pferdes an; nach und nach kamen wir auf die Mate-
rie, die ich zur Sprache bringen wollte. Ich gebe hier
eines dieser Gespräche, worin ich ihm, wie schon bei
einer früheren Gelegenheit, ein Bündnis mit Frank-
reich empfahl.
Ich (Massenbach): ›Preußen muß sich fest mit
Frankreich verbinden, wenn es sich nicht unter das
russische Joch beugen soll.‹
Bischofswerder : ›Aber bedenken Sie doch, daß der König mit der Direktorialregierung kein Freundschaftsbündnis errichten kann . Unter den Direktoren befinden sich einige, die für den Tod ihres Königs
gestimmt haben. Mit Königsmördern kann kein König
traktieren.‹
Ich : ›Traktieren? Wir haben ja in Basel traktiert. Und gab der staatskluge Mazarin seinem Zögling nicht
den Rat, den Königsmörder Cromwell seinen »lieben
Bruder« zu nennen? Das Interesse des Staates ent-
scheidet hier allein.‹
Bischofswerder : ›Man hat keine Garantie. Morgen werden die »Fünf Männer« von ihren Thronen gejagt
und nach Südamerika geschickt. Es ist eine revoluti-
onäre Regierung.‹
Ich : ›Die englische Regierung ist es auch. Georg III.
ist nicht nur ein schwacher Mann, er ist weniger als
nichts; er ist wahnsinnig... Heute negoziieren wir mit
2003
Pitt, morgen ist ein Bute an der Spitze der Angele-
genheiten. Die englische Regierung gibt uns auch
keine Sicherheit. Wir haben mit der französischen
Regierung unterhandelt; wir haben sie anerkannt;
wir haben ihr eine diplomatische Existenz gegeben
und uns dadurch den Haß aller Mächte zugezogen.
Einmal mit diesem Hasse beladen, gehe man noch
einen Schritt weiter...‹
Bischofswerder : ›Sie gehen zu weit, Massenbach.
Eine solche Idee dem Könige vorzutragen, kann ich
nicht wagen. Auch kann ich Ihrer Meinung nicht bei-
pflichten. Allianz mit Frankreich! Das ist zu früh. Die Dinge in Frankreich haben noch keine Konsistenz.‹«
Dies war im Frühjahr 1796.
»Die zweite, noch weit eingehendere Unterredung«,
so fährt Massenbach fort, »die ich mit Bischofswer-
der um diese Zeit hatte, bezog sich auf die Neuorga-
nisation des Generalquartiermeisterstabes. Ich bat
um die Erlaubnis, ihm meinen Aufsatz über die Not-
wendigkeit einer › Verbindung der Kriegs- und
Staatskunde ‹ vorlesen zu dürfen. Dies geschah denn auch an zwei Abenden, die ich bei Bischofswerder
unter vier Augen zubrachte. Er machte, als ich geen-
det hatte, einige treffende Bemerkungen. Unter an-
dern sagte er folgendes: ›Selbst angenommen, daß
dies alles nur politisch-militärische Romane wären, so würde doch die Lektüre derselben den Prinzen des
königlichen Hauses ungemein nützlich sein, nützli-
2004
cher als die Lektüre von Grandison und Lovelace. Die
jungen Herren würden dadurch die militärische Sta-
tistik unseres Staates und der benachbarten Staaten
kennenlernen.‹
Das Ende meines Aufsatzes«, so schließt Massen-
bach, »ließ er sich zweimal vorlesen. Er lächelte. Als
ich in ihn drang, mir dies Lächeln zu erklären, sagte
er: ›Der Generalstab wird, wenn Ihre Idee zur Aus-
führung kommt, eine geschlossene Gesellschaft , die einen entscheidenden Einfluß auf die Regierung des
Staates haben wird. Ihr Generalquartiermeister greift in alle Staatsverhältnisse ein. Sein Einfluß wird grö-
ßer als der des jetzigen Generaladjutanten. Solange
Zastrow der vortragende Generaladjutant ist, wird
Ihre Idee nicht ausgeführt werden. Jetzt müssen Sie
diese Idee gar nicht zur Sprache bringen. Teilen Sie
solche niemandem mit. Die Sache spricht sich her-
um, und Sie haben dann große Schwierigkeiten zu
bekämpfen... Ihren Antrag wegen der Reisen der
Offiziere des Generalquartiermeisterstabes will ich
gern beim Könige unterstützen.‹« (Dies geschah.)
Massenbach, der immer Gerechtigkeit gegen Bi-
schofswerder
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