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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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die gräflichen Mannen in die Flucht, nahmen Posseß vom streitigen Terrain und pflanzten ihr Banner auf dem eroberten Grund und Boden auf. Kurzum, eine mittelalterliche Fehde in bester Form. Streitobjekt war ein Forst, den der Graf als seine , die Stadt als ihre beanspruchte. Die Gerichte hatten zugunsten des Grafen entschieden, aber die Stadt schüttelte den Kopf, und so geschah, was eben gemeldet. Ein Bänkelsänger, der just des Weges kam, hörte von dem kaum geschlichteten Streit, und das Balladenhafte des Vorganges rasch erkennend, brachte er alles in »neue Reime aus diesem Jahr«. Ich habe das Blatt zufällig in die Hand bekommen und gebe etliche Strophen daraus.
    Die Bürger von Buckow saßen beim Bier,
Das gab ein Lärmen und Streiten,
Sie sprachen vom Grafen und ihrem Prozeß,
Von Instanzen, ersten und zweiten. Sie wußten es alle klipp und klar,
Daß der Graf die Richter betörte
Und daß der Forst, trotz erster Instanz,
Von je zur Stadt gehörte. Drum (hieß es) hätten sie appelliert,
Und sie wußten aus guten Gründen,
Daß über ein kleines, in Woch oder Tag,
Die Sachen ganz anders stünden. So klang es. Nur einer saß am Tisch,
Der spielte mit Gabel und Teller
Und rief jetzt: »He! zwei Seidel frisch,
Zwei bayrisch aus dem Keller.« Er leerte das aufgehobene Glas
Mit einem einzigen Zuge
(Seine blinzelnden Augen tranken zugleich
Aus dem stehengebliebenen Kruge); Er strich den Schaum sich aus dem Bart
Und wetterte über die Tische:
»He, Bürger von Buckow, was immer ihr prahlt,
's sind alles faule Fische. Ihr habt keinen Mut; dieweil ihr hie
Abschießt eure Pfeile und Bolzen,
Läßt draußen der Graf in eurem Forst
Die Tannen niederholzen. Ihr habt keinen Mut; ich sprech es mit Scham,
Ihr seid wie andre Philister;
Wer heute die Orgel spielen will,
Der braucht ein tiefer Register. Ihr wißt nichts von der hohen Magie,
Von dem Zauber dieser Tage,
Der Zauber nennt sich fait accompli,
Und sein Spruch ist: Tu und wage. Ihr kommet nie und nimmer zum Ziel
Mit Klagen, Akten und Pakten,
Es gibt nur eines, das heut hilft:
Tatsachen, Griffe, Fakten. Greift zu, verschafft euch selber Recht
Mit euren eignen Händen –
Die Schläger des Grafen schlagen im Wald,
Wohlan, ihr müßt sie pfänden .«
    Nun folgen sechs, acht Strophen, in denen beschrieben wird, wie alles dem Redner zujubelt, wie die Bürger sich rüsten und andern Tages wirklich ausziehen, um die »Pfändung der Gräflichen« vorzunehmen. Drei andre Strophen schildern den Zug selbst 1) ; dann endlich treten sie in den Wald.
    Und als sie sich nahten dem strittigen Grund –
Da, vernehmbar aus dem Gehege
Her klangen schon durch die stille Luft
Der Holzaxt dumpfe Schläge. Der Tag war heiß, die Luft war still,
Der Wald schwieg wie beklommen,
Nur leise rauschten die Wipfel sich zu:
»Sie sind es; die Buckower kommen.«
    Der Kampf ist nun kurz. Die gräflichen Holzschläger strecken die Waffen, und die Sägen und Äxte werden gepfändet. Ein Hurra klingt dreimal durch den Wald. Aber der Sieg ist von keiner Dauer. Die Gräflichen verstärken sich und rücken andrentags, unterstützt durch die ganze Polizeimacht der Kreise Barnim und Lebus, ins Feld. Die Polizei, bekanntlich ein prosaisches Institut ohne Glauben an Gespenster, hat auch kein Herz für Romantik und Mittelalter und schickt die Buckower in sehr bestimmten Ausdrücken heim.
    Die Buckower sprechen noch immerzu
Vom Forst und ihrem Streite;
Und doch, wo das strittige Waldstück stand,
Da stehen jetzt Klafter und Scheite. Und kommt ein Buckower still entlang,
Halb traurig und halb verbissen,
Da singen die Vögel so lustig. Warum?
Die Vögel werden's schon wissen.
     
    Aber ich habe vielleicht zu lange schon bei den Buckowern verweilt; wenden wir uns wieder ihrer Stadt zu. Buckow und seine Umgebungen bilden die »Märkische Schweiz«. Freilich geht es der Stadt mit diesem Namen und Anspruch nicht viel besser als mit ihrem Forst, denn Freienwalde tritt mit überlegener Miene in die Schranken und sagt: »Dieser Name ist mein.«
    Wo liegt denn nun aber die wirkliche Märkische Schweiz? Wir werden uns einen Dualismus, wie auch sonst wohl, gefallen lassen müssen. Freienwalde ist immerhin eine Dame, Buckow ist eine ländliche Schönheit, die mit nacktem Fuß in den See tritt und unter Weidenzweigen ihr Haar flicht. Nun wähle jeder nach seinem Sinn. Binnen kurzem wird sich solche Wahl erleichtern. Die neuprojektierte Eisenbahn zwischen Berlin und Küstrin führt auf kürzeste Entfernung an Buckow vorüber,

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