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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Mühe, seine persönliche Ordnung zu wahren und zu pflegen. Als wäre das die letzte Möglichkeit, sich vor dem allgemeinen Zerfall zu schützen. Ich sag’s dir, ich verstehe es heute noch nicht. Ich erzähle es einfach.
    Doch in jener Nacht beruhigte sich mein Herz. Er hatte recht gehabt, der Körper erinnert sich. Woran? Damals wußte ich es noch nicht, aber jetzt kann ich es ja sagen. Mein Körper erinnerte sich an meinen Mann. Ich dachte in jener Zeit überhaupt nicht mehr an meinen Mann, ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen und ihn auch nicht gesucht. Ich dachte, ich hätte ihn vergessen. Doch meine Haut, meine Nieren, mein Herz oder was immer, die hatten ihn nicht vergessen. Und als ich bei diesem Menschen, dem Freund meines Mannes, eingetreten war, da hatte sich mein Körper erinnert. Alles um diesen Menschen erinnerte mich an meinen Mann. Aber es verging eine Zeit, bis ich endlich begriff, was ich bei ihm suchte, woran ich mich erinnerte.
    Es war eine traumartig unwirkliche Zeit. Menschen wurden eingefangen wie die Hunde von den Abdeckern. Die Häuser stürzten ein. In den Kirchen drängte sich das Volk, genauso wie an den Stränden. Die wenigsten wohnten noch zu Hause, und so fiel es nicht auf, daß ich in der fremden Wohnung ein und aus ging.
    Ich wußte, daß ich keinen Fehler machen durfte, weil er mich sonst hinauswarf. Oder er selbst würde verschwinden und mir die Wohnung zurücklassen, im kritischsten Augenblick des Krieges. Ich wußte, wenn ich mich einschmeichelte, mich anbot, dann würde er mir die Tür weisen und: Adieu. Und ich wußte auch, daß ich ihm auf keine Art helfen konnte, ganz einfach, weil er nichts brauchte. Dieser Unglückliche war jemand, der alles ertrug, auch Demütigungen und Entbehrungen. Nur eins ertrug er nicht: Hilfe.
    Ob er hochmütig war? Na klar war er das. Er wollte keine Hilfe, weil er hochmütig und einsam war. Doch später habe ich begriffen, daß unter diesem Hochmut noch etwas anderes war. Er hatte Angst um etwas. Nicht um seine Person. Sondern um seine Kultur. Grinse nicht. Du denkst an die Oliven, deshalb grinst du, was? Wir Proleten, mein süßer Schatz, verstehen nicht, was Kultur ist. Wir denken, wenn jemand etwas auswendig weiß oder vornehm ist und nicht auf den Boden spuckt oder während des Essens nicht rülpst, das sei Kultur. Aber so ist es nicht. Das ist nicht Kultur, wenn man etwas büffelt und dann weiß. Oder wenn man sich anständig benimmt. Es ist etwas anderes. Und dieser Mensch hatte Angst um diese andersartige Kultur. Er wollte keine Hilfe, weil er nicht mehr an die Menschen glaubte.
    Eine Zeitlang dachte ich, er habe in dieser gräßlichen Welt um seine Arbeit Angst. Doch als ich ihn besser kennenlernte, war ich ganz verblüfft, denn ich begriff, daß der Mann überhaupt nicht mehr arbeitete.
    Was er dann tat, fragst du. Na, er las einfach oder ging spazieren. Du kannst das nicht verstehen, weil du der geborene Künstler bist, der Profischlagzeuger. Du kannst dir gar nicht vorstellen, nicht zu trommeln. Doch dieser Mensch war ein Schriftsteller, der nicht mehr schreiben mochte, weil er nicht mehr daran glaubte, daß das geschriebene Wort etwas an der menschlichen Natur zu ändern vermag. Er war kein Revolutionär, kein Weltverbesserer, er glaubte nicht, daß eine Revolution die Welt verbessern kann. Er sagte einmal, es habe keinen Sinn, die Systeme zu verändern, solange die Menschen gleich bleiben. Er wollte etwas anderes. Er wollte sich selbst verändern.
    Du verstehst das nicht, klar, daß du das nicht verstehst. Ich habe es lange auch nicht verstanden und ihm auch nicht geglaubt. Ich ging einfach geräuschlos ein und aus. Damals waren viele Wohnungen voller Leute, vor allem voller Juden, die sich vor der Verfolgung versteckten. Gut, gut, beruhige dich. Das glaube ich wohl, daß du nicht weißt, wie es damals in Budapest zuging. Daß die Menschen lautlos lebten wie die Insekten. Viele schliefen in Schränken, wie sommers die Motten in den Schubladen mit dem Naphthalin. Auf diese Art hatte ich mein Lager in seiner Wohnung aufgeschlagen. Ohne Geräusche, ohne Lebenszeichen.
    Er beachtete mich nicht. Doch zuweilen schreckte er auf, schien mich plötzlich wahrzunehmen und machte dann lächelnd und höflich Konversation, als führten wir schon die ganze Zeit ein Gespräch.
    Einmal kam ich abends um sieben in seine Wohnung. Die Luft roch nach Herbst, und es wurde früh dunkel. Ich trat ein, sah seinen kahlen Kopf, da er im dämmerigen

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