Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Reiseschreibmaschine. Aber auch die machte er nie auf.
Lange Zeit verstand ich nicht, was mit ihm los war. Ich dachte, der ist ausgetrocknet, der hat keine Kraft mehr, weder für die Liebe noch für das Schreiben. Ich dachte, er spiele Komödie, den Gekränkten, der hochmütig schweigt, weil er das wundervolle, einzigartige Geschenk, wie nur er, der eitle alternde Meister, es zu geben vermag, der Welt nicht mehr gönnt. Wie ein Mann, der nicht mehr richtig kann und dann den Asketen spielt, als habe sowieso alles keinen Sinn. So vermutete ich. Doch eines Tages begriff ich, was er da spielte.
Dieser Mensch wollte nicht mehr schreiben, weil er befürchtete, daß jedes Wort, das er zu Papier brachte, in die Hände von Verrätern und Barbaren geraten könnte. Er hatte das Gefühl, jetzt komme eine Welt, in der alles verfälscht, verraten, beschmutzt wird, was ein Künstler denkt, schreibt, malt, komponiert. Starre mich nicht so ungläubig an. Ich sehe schon, du glaubst mir nicht. Du denkst, ich quatsche bloß, bilde mir Dinge ein. Ja, mein Schatz, das verstehe ich, daß du, der wahre Künstler, das nicht begreifst. Daß du dir nicht vorstellen kannst, die Schlegel eines Tages wegzuwerfen, so wie dieser Mensch seinen Füllfederhalter verstauben ließ. Auch ich kann mir das nicht vorstellen, denn du bist von der Art, die bis zum Lebensende Künstler bleibt. Du wirst noch auf dem Sterbebett trommeln wollen, mein Einziger. Dieser Unglückliche hingegen war eine andere Art von Künstler.
Er befürchtete, er würde zum Verräter und Komplizen, wenn er etwas schrieb, weil eine Zeit anbrach, in der alles verdreht würde. Anders ausgelegt. Er erschrak, wie ein Priester, der weiß, daß aus seinen Äußerungen auf einmal ein politischer Slogan wird, den man herumbrüllen kann. Und deshalb sagt er lieber nichts mehr.
Was meinst du? Was das schon sei, ein Schriftsteller? Ein Knallkopf? Ein Spengler oder ein Beamter sei mehr wert? Es wird schon so sein, wie du sagst, ein Schriftsteller ist bestimmt einfach ein Knallkopf. Und man braucht ihn nicht mehr, so wie man niemanden mehr braucht, der kein Geld und keine Macht hat. Aber schrei nicht so, beruhige dich. Du hast ja recht, er war ein Knallkopf. Trotzdem, du willst wissen, wie er aus der Nähe war? Also, Rang und Namen und Titel hatte er nicht. Und mit dem Geld war das so eine Sache. Ob du’s glaubst oder nicht, dieser Mensch hatte etwas Geld. Er war ein Knallkopf, der heimlich an alles dachte, sogar ans Geld. Er war kein Einsiedler, der in der Wüste seine Heuschrecken frißt. Nein, er hatte ein bißchen Geld, aber das brachte er nicht auf die Bank, sondern er trug es in der Innentasche seiner Jacke. Er zog das Geldbündel hervor, wenn er etwas bezahlen mußte. Mit einer nachlässigen Geste, während doch anständige Leute die Geldscheine in ihrer Brieftasche haben. Auch du bewahrst unser Geld so auf, was? Trotzdem, wenn er so sein Geld hervorzog, war es klar, daß man ihn in keiner Weise übers Ohr hauen konnte, da er genau wußte, wieviel er besaß, bis auf den letzten Fillér.
Aber er besaß nicht nur zerfledderte einheimische Banknoten. Er hatte auch Dollars, dreißig Zehndollarscheine. Und französische Napoléons. Diese Goldmünzen bewahrte er in einer alten Blechschachtel auf, in der früher die ägyptischen Zigaretten lagen. Vierunddreißig goldene Napoléons, er zählte sie sorglich, vor meinen Augen. Die Brille war ihm auf die Nasenspitze gerutscht, während er die Goldstücke betrachtete und an ihnen schnüffelte. Zuweilen biß er auf eins oder ließ sie klingen. Er nahm jedes einzeln in die Hand und hielt es ans Licht, mit großer Sachkenntnis.
Aber ich sah nie Geld hereinkommen. Höchstens Rechnungen, die er besorgt und ernsthaft prüfte. Dann zahlte er und gab dem, der die Rechnung gebracht hatte, ein großes Trinkgeld. Aber insgeheim, glaube ich, war er geizig. Einmal, spät in der Nacht, als er seinen Wein schon getrunken hatte, sagte er, das Geld und besonders das Gold seien zu ehren, denn sie hätten etwas Magisches. Er erklärte es nicht weiter. Deshalb überraschte es mich, wenn er so fürstliche Trinkgelder verteilte. Er ging mit dem Geld anders um als die Reichen. Ich kenne ja die Reichen, aber keiner gab Trinkgelder wie dieser knallköpfige Schriftsteller.
Was ist ein Schriftsteller, hast du gefragt. Ja, was ist er, wer ist er? Ein großer Niemand. Ohne Rang und Macht. Ein beliebter Jazzmusiker hat mehr Geld, ein Polizeioffizier mehr Macht und ein
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