Wanja und die wilden Hunde
Herzen band ich ihn los und flüsterte: »Schnell, lauf weg.« Der Hund setzte sich sofort in Bewegung und rannte in den Fleischerladen, um den Mann schwanzwedelnd zu begrüßen. Dieser schlug ihm dafür umgehend auf den Kopf und schrie: »Eh, du Idiot, raus mit dir!« Später sah ich die beiden die Straße entlanglaufen, der Hund mit angelegten Ohren und abgesenkter Rute, der Mann immer noch schimpfend.
Der Hund lief ohne Leine dicht neben dem Mann.
Ich war fassungslos über die »Dummheit« dieses Hundes, wie ich sein Verhalten damals einschätzte. Noch heute bin ich oft erstaunt über die starke Bindung, die Hunde auch mit Menschen eingehen, die sie denkbar schlecht behandeln.
Obwohl Hunde damit umgehen können, aus unterschiedlichen Gründen aus einem Rudel abwandern zu müssen, ist ihr Bestreben dennoch, ihre Gruppe auf gar keinen Fall zu verlieren.
Diese Tatsache kann man sich wunderbar zunutze machen, um den eigenen Hund in der Nähe zu halten. Voraussetzung dafür ist, dass man auf dieses natürliche Bestreben vertraut und sein eigenes, menschliches Kontrollverhalten aufgibt (damit meine ich allerdings nicht die Verantwortung in gefährlichen Situationen!).
Am einfachsten lässt sich dies erreichen, wenn man einen Hund gerade bei sich aufgenommen hat und gar nicht erst damit beginnt, ihm seine Aufgabe – die Orientierung – abzunehmen. Später jedoch kann man genauso erfolgreich damit sein – dann muss man sich nur etwas länger eine Überprüfung des Hundes gefallen lassen.
Schauen Sie sich unterwegs grundsätzlich nie direkt nach Ihrem Hund um, wenn Sie gar nichts von ihm wollen. Falls Sie nur wissen möchten, wo Ihr Hund sich gerade aufhält, lassen Sie Ihren Blick einfach über ihn hinweggleiten und tun Sie dabei so, als würden Sie beispielsweise eine Baumgruppe in Augenschein nehmen – nur nicht ihn. Sie können auch mit einem kleinen Spiegel hinter sich blicken. Alles ist erlaubt, außer sich ständig oder gezielt umzuschauen. Wenn Sie Ihren Hund in Ihrer Nähe haben wollen, müssen Sie ihm klarmachen, dass nicht Sie dafür sorgen werden, sondern er.
Wenn Sie auf einem Waldweg abbiegen, informieren Sie Ihren Hund nicht darüber, dass Sie die Richtung ändern. Wanja meldete sich nie ab, wenn er eine andere Richtung einschlug. Weil die Hunde wussten, dass er sie darüber nicht extra in Kenntnis setzte, behielten ihn alle im Rudel, egal was sie taten, immer im Augenwinkel. Hunde agieren sehr effizient. Wenn Sie Ihrem Hund die Aufgabe des Schauens und Orientierens abnehmen, wird er sie Ihnen gern überlassen, denn dann kann er sich Dingen widmen, die ihm Spaß (und Ihnen oft Ärger) machen.
Bei Hunden, die gerne schnell laufen, würde ich zu Beginn unbedingt ein Fahrrad einsetzen. Wenn Ihr Hund nicht die Erfahrung macht, dass Sie ihm abhandenkommen können, wird er darauf setzen, Sie auch aus großer Distanz immer wieder einholen zu können. Treten Sie in die Pedale – und befestigen Sie Rückspiegel am Rad, um sich nicht umblicken zu müssen.
Wählen Sie für den Anfang am besten einen Ort wie den Wald, wo es keine gefährlichen Straßen oder unübersichtlichen Plätze gibt, die er nicht überblicken kann.
Alle meine Hunde folgen mir nur deshalb zuverlässig, weil ich mich nicht nach ihnen umschaue (zumindest nicht so, dass sie es bemerken). Ich weiß, dass diese Vorgehensweise viel Mut erfordert, aber alle neuen Wege erfordern Mut.
Abruf
Oft rufen wir unsere Hunde nur, um zu testen, ob diese aus einer bestimmten Distanz heraus noch hören. Passiert das mehrfach, hat jeder Hund schnell verstanden, dass es eigentlich um gar nichts geht, wenn er gerufen wird. Es ist sehr lästig, beim schönsten Schnüffeln immer wieder ohne Grund unterbrochen zu werden – daher beginnen die meisten Hunde irgendwann, das »lästige Geräusch« zu überhören.
Stellen Sie sich vor, Sie schauen gerade einen Krimi und werden von Ihrer/m Partner/in in die Küche gerufen. Sie gehen tatsächlich in die Küche, verpassen dadurch die Auflösung des Krimis (für den Hund ist ein aufregender Geruch etwas Ähnliches wie ein Krimi), und Ihr/e Partner/in in der Küche sagt zu Ihnen: »Fein.« Weiter nichts. Na, das hat sich doch gelohnt!
Wenn Sie das fünf Mal in dieser Weise erlebt hätten, wie wahrscheinlich wäre es dann, dass Sie Ihre spannende Beschäftigung auch beim sechsten Mal noch unterbrechen und in die Küche kommen würden?
Den Abruf verwende ich im Alltag nur, wenn meine Hunde tatsächlich zu mir
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