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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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Autoschlüssel schon in der Hand. Wir standen vor dem Meiler. »Eigentlich müsste er rauchen!«, sagte ich enttäuscht, »wir müssen noch mehr Glut reinschaufeln!« »Das tut mir leid, mein Lieber, aber wir müssen jetzt fahren. Ich muss noch nach D-Oben!«
    Ich legte meine Hand auf die dunkle Erde. »Der müsste warm werden. Im Fernsehen, da hat der Meilermann seine Hand draufgelegt, um die Wärme zu prüfen!« Entmutigt betrachtete ich den nasskalten, erloschenen Erdhaufen. »Ist doch nicht so schlimm. Wenn wir am Wochenende kommen, können wir wieder ein Feuer machen und es noch mal versuchen.« Ich roch an einem der Löcher. Ein wenig biss mich ein rauchiger Geruch in der Nase. Ich versuchte hineinzuspähen. Dunkel, aber mein Auge tränte.
    »Komm.« Mein Vater strich mir über die Haare, und wir fuhren los. Auf dem kleinen Hügel wandte ich mich noch einmal um – nichts zu sehen. Auf der Heimfahrt fing es an zu regnen, und damit erstarben auch meine letzten Hoffnungen.
    Die ganze Woche dachte ich ununterbrochen an den Meiler und wie schön es gewesen war, ihn gemeinsam mit meinem Vater zu bauen. Ich überlegte, was wir falsch gemacht hatten, was verbesserungswürdig war. Mehrmals wurde ich in der Schule aus tiefen Tagträumen geweckt. Und als wir am Sonntag wieder zu unserem Häuschen aufbrachen, konnte ich es gar nicht erwarten.
    Wir kamen zu dem kleinen Hügel. Meine Mutter fuhr, da wir es eilig hatten, mein Vater saß auf dem Beifahrersitz. Meine Brüder waren glücklich alleine zu Hause geblieben. Sie hatten es durchgesetzt, zu unseren Wochenendausflügen nicht mehr zwangsverpflichtet zu werden, und übernachteten nun permanent bei ihren Freunden. Als wir über den Hügel kamen, sah ich etwas, das mir den Atem nahm. Ich rief: »Da! Daaa! Seht doch daaaaa!« Meine Mutter bremste so abrupt, dass meinem Vater hörbar die Zähne zusammenklappten. »Was ist denn bloß los?« »Daaaaa!« »Was ist denn da. Ich seh nichts!« »Na daaaaaaaa!«
    Ich riß die hintere Tür auf und rannte los, das Hügelchen hinunter. War ich jemals so schnell gerannt? Dadurch, dass es leicht bergab ging, wurde ich immer schneller. Ich versuchte, meinen Oberkörper stabil zu halten, und ließ die Beine einfach machen. Fast wäre ich gefallen, aber ich wollte nicht bremsen und nahm allen Schwung, den ich kriegen konnte. Ich erreichte das Gartentörchen, stieß es auf und rannte zum Meiler. Aus den beiden oberen Öffnungen zogen gleichmäßig zwei weiße Rauchsäulen empor und verwehten fächerförmig im leichten Wind. Ich sprang um den Meiler herum, außer mir vor Freude.
    Das Auto fuhr an der das Grundstück begrenzenden Hecke entlang und bog knirschend auf den mit Kies bedeckten Hofplatz ein. Meine Eltern kamen in den Garten. Ich rannte zu meinem Vater und umarmte ihn stürmisch: »Schau dir das an! Es raucht! Es raucht!« Mein Vater flüsterte: »Das gibt’s ja nicht. Der raucht ja wirklich!« »Na klar raucht der, und wie der raucht!« Wir gingen gemeinsam zum Meiler. Er sah vollkommen anders aus. Nicht mehr erdig schwarz, sondern trocken gebacken, ganz hell wie Lehm. Nicht mehr norddeutsch, vielmehr afrikanisch. Ich legte meine Hand auf die trockene Hülle, zuckte zurück. So heiß war sie. In der Luft hing ein angenehmer würziger Duft. Meine Mutter sagte staunend: »Wie? Dieses Ding da habt ihr gemacht? Das sieht ja fantastisch aus!« »Na klar haben wir das gemacht.«
    Mein Vater nickte mir zu. Da kamen mir die Tränen. Diese beiden unverhofft sich in den grauen Himmel windenden Rauchsäulchen überwältigten mich. Ich drückte meinen Kopf an die Schulter meiner Mutter. »Was ist denn? Alles gut … Warum bist du denn so traurig?« Ich stammelte mit Salzwasser-Geschmack im Rachen: »Ich bin nicht traurig.« Ich schluckte, »Ich freu mich nur so!«, und musste noch mehr weinen. Das Eigenartige war allerdings, dass ich – genau wie bei meinen Jähzorn-Attacken – kein rechtes Maß für meine Freudentränen fand. Wenn mich etwas wütend machte und ich tobte, dann war das immer mehr als die bloße Reaktion auf den Wutauslöser. Mein Ärger wuchs über den Grund hinaus und trug mich mit sich fort. Am liebsten hätte ich mich in diesem Zustand selbst vernichtet, ausgelöscht und mich wie Rumpelstilzchen in der Mitte durchgerissen. Und auch diese Freudentränen waren zwar durch den friedlich rauchenden Meiler ausgelöst worden, doch jetzt weinte ich hemmungslos, gleichzeitig glücklich und verzweifelt, weinte über alles und

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