Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)
dreckig ist, aber jetzt wissen wir wenigstens, dass die Pumpe geht. Wir haben einen eigenen Brunnen. Ist das nicht toll! Mach du mal!«
Ich pumpte und musste auch sofort lachen – irgendetwas war an diesem kraftvollen Auf und Ab, an diesem Schwall, der sich aus dem Eisenrohr ergoss, extrem beglückend. Mein Vater wusch sich die Hände und trank. »Ist das kalt, unglaublich erfrischend!« Wir wechselten noch mal, und auch ich trank. Ein leichter Eisengeschmack, fast ein bisschen wie eiskaltes Blut. Köstlich schmeckte unser eigenes Grundwasser.
Wir schleppten zwei Eimer zum Meiler. »Mach du das mal lieber, ich hab Blasen.« Ich befeuchtete meine Hände und begann, die Erde zu verschmieren. Als ich fertig war – es hatte mir große Freude gemacht, mit den Fingern im Matsch herumzuschmieren –, sah der Meiler perfekt aus. Er war größer geworden, als wir beide gedacht hatten, reichte meinem Vater bis zum Bauch. Der schwarzerdige, glatt verschmierte Hügel sah wie der gekonnte Bau eines geschickten Tieres aus.
Nun ging es ans Feuermachen. »Schaffst du das?«, fragte er mich, »ich hab so einen Hunger, ich muss mal gucken, ob überhaupt was da ist.« »Klar!« Er verschwand im Haus, und ich versuchte, neben dem Meiler ein kleines Lagerfeuer zu entfachen, doch die Zeitungen waren klamm. Vom tiefen Luftholen und langen Pusten wurde mir schwindelig. Ich hoffte so sehr auf dieses erlösende Geräusch, wenn das Holz über der Glut plötzlich Feuer fängt, aufhört zu qualmen und endlich brennt. Mein Vater kam mit einem Tablett. Er hatte nichts gefunden außer einem Brühwürfel und ein paar Nudeln. »Na, geht das mit dem Feuer nicht? Warte mal!« Er kniete sich zu mir, und gemeinsam bliesen wir auf die letzte kleine, noch rötlich glimmende Stelle. Und da machte es plötzlich »wuuummp« und das Feuer flackerte auf und brannte.
Wir setzten uns auf die Bank und aßen. Das war lecker. »Tut mir leid«, sagte mein Vater, »was Besseres hab ich nicht gefunden.« Er erzählte mir eine Geschichte von der Mutter eines Kindes, das er behandelt hatte, die nichts anderes essen konnte als Nudeln mit Tomatensauce. »Dreimal am Tag Nudeln mit Tomatensauce«, wiederholte er und ergänzte: »Sie konnte auch auf keine andere Toilette gehen außer auf ihre eigene!« »Warum das denn nicht?« »Das hab ich nicht rausbekommen. Aber für ihre Tochter war das natürlich schlimm!« »Was hatte die denn?« »Nichts Gravierendes, Probleme in der Schule.« »Da war ja die Mutter viel verrückter als die Tochter!« »Allerdings. Das ist aber meistens so. Letzte Woche waren welche in meiner Praxis, die sich beklagt haben, dass ihr Sohn einfach nicht richtig sprechen könne. Ich hab ihn untersucht, und als er sich sein T-Shirt ausgezogen hat, hab ich gedacht, ich seh nicht richtig. Überall blaue Flecke. Was ist mit dem Jungen passiert, hab ich die Eltern gefragt. Da hat der Vater ohne einen Hauch von schlechtem Gewissen zu mir gesagt: ›Wissen Sie, Herr Professor, das hilft auch nichts. Ich hab den schon so verdroschen, aber dadurch spricht der auch nicht besser!‹ Oh, ich glaub, wir haben jetzt genug Glut. Komm, mein Lieber, sag mir, wie es weitergeht mit unserem Meiler.«
Wir holten eine Schaufel, mein Vater stieß sie in den Gluthaufen und trug die rauchende Fracht durch den Garten bis zum Meiler. Bestimmt zehnmal gingen wir hin und her und schaufelten die Glut in den vorbereiteten Schacht. »Jetzt kommt das Wichtigste«, sagte ich. »Wir müssen oben und unten zwei Löcher bohren, damit der Meiler atmen kann!« »Dass er atmen kann?« »Ja genau, und die dürfen nicht zu groß oder zu klein sein, Papa. Wenn sie zu groß sind, bekommt er zu viel Luft und brennt ab, und wenn sie zu klein sind, erstickt er jämmerlich!« Mit dem Ende des Spatenstiels bohrten wir die Löcher durch die Grassoden. »So, und nun schnell zudecken!« Wir fanden im Schuppen den Metalldeckel einer Mackintosh-Bonbondose, in der Schrauben lagen. Er passte perfekt auf den Schacht des Meilers. Ich holte einen Stein und beschwerte ihn.
Mein Vater sah auf seine Armbanduhr: »Oh, wir sind spät dran. Wir müssen uns beeilen.« Während er sich die Hände wusch und seine Blasen verarztete, rannte ich in den Stall und nahm mir ein Brett, einen Pinsel und rote Farbe. Ich schrieb auf das Holz ›Nicht anfassen!‹, nagelte es auf einen Pflock und rammte ihn direkt neben dem Meiler in den Boden. Mein Vater kam in den Garten. Er hatte sein Hemd wieder an und den
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