Waren Sie auch bei der Krönung?
hast du das, Junge?» fragte er polternd.
Johnny hob den Blick von dem glitzernden Talisman und blickte in die durchdringenden, hellblauen Augen des alten Herrn.
«Ein Herr — ein Offizier gab es mir, Sir.»
«Hm», sagte der alte Herr, «das ist sehr merkwürdig. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich ein Offizier davon trennen kann. Irrst du dich nicht? Weißt du auch, was das ist?»
Johnny antwortete: «Ja, Sir. Es ist das Abzeichen des Königlichen Wessex-Regiments. Ich kenne alle Rangabzeichen.» Und dann dämmerte ihm, was im Kopf des alten Herrn vorging. «Oh, es war kein Offizier dieses Regiments, der es mir gab. Es war ein anderer, aber ich weiß nicht, was er war. Er saß auf einem Schimmel und hatte eine schwarze Uniform und eine weiße Feder auf einem Dreispitz.»
Er merkte, daß ihm der alte Herr aufmerksam zuhörte, und sah den Glanz in seinen jugendlichen blauen Augen. Da stürzten die Worte geradezu aus Johnnys Mund: die Expedition zur Krönung, die gefälschten Karten, ihre Versuche, wenigstens einen Teil der Prozession zu sehen, seine Liebe für Soldaten und sein Wunsch, selbst einer zu werden, die Vorgänge an der Barriere und der berittene Offizier mit dem Federbusch, der dem Polizisten bestätigte, daß er seine Pflicht getan hatte und der dann sonderbarerweise in die Tasche griff und ihm das Abzeichen schenkte.
Sein Reisegefährte hörte sich die Erzählung an und schien sich nicht im mindesten darüber zu wundern. Er nickte bloß zustimmend und sagte: «Das könnte Archie gewesen sein.» Denn er war ein phantasiebegabter Mann, der sich alles, was ihm erzählt wurde, bildhaft vorstellte. Im Geiste sah er seinen Freund, den Polizeipräsidenten: die Legionen waren vorbeigezogen, er bemerkte das glitzernde Ding auf der Straße und steckte es in die Tasche, um es später dem Regiment zurückzuerstatten.
Der alte Herr sah, daß ihn das Kind mit aufgerissenen Augen anstarrte, und so verbesserte er sich und erklärte seine eigenen Worte: «Ich meinte: Sir Archibald Green, ein Polizeipräsident. Hast du die Zahl der Streifen an seinem Ärmel bemerkt?»
«Vier», antwortete Johnny.
Der alte Herr nickte. «Gut beobachtet. Er reitet bei solchen Gelegenheiten immer durch die Straßen und steckt seine Nase in alles hinein. Deshalb wickelt sich wahrscheinlich alles so glatt ab.» Er nahm das Abzeichen auf und hielt es einen Augenblick lang auf der flachen Hand. Sein Gesicht belebte sich, und seine Augen schimmerten seltsam feucht in einem Aufruhr der Gefühle. Er war völlig unerwartet und unter außergewöhnlichen Umständen einem alten und geliebten Freund begegnet.
«Ich diente bei ihnen, als ich jung war», sagte er. Er seufzte: «Ich vermisse sie.»
Johnny Clagg blickte von dem Abzeichen, das in der braunen, geäderten Hand lag, auf zu den blauen Augen des großen Mannes. Er begriff: der Alte und , die das Abzeichen versinnbildlichte, hatten einander einmal viel bedeutet.
«Hat es viele Kämpfe gegeben?» fragte Johnny. «Ich möchte Offizier werden, wenn ich einmal erwachsen bin.»
Dann kam es zu einer Unterbrechung in Form von Großmutter Bonners zeternder Stimme: «Johnny, bist du das, der so viel redet? Sei still, du störst den Herrn beim Essen.»
Johnny errötete und wandte sich um, um dem durch stahlgeränderte Augengläser auf ihn gerichteten Blick standzuhalten. Auch der Mann mit den buschigen Augenbrauen sah hinüber zu dem Tisch, von dem die Mahnung gekommen war.
Will Clagg lehnte sich zurück und nahm rückwärts gewandt den Refrain auf: «Ich hoffe, er belästigt Sie nicht», sagte er. «Der Junge redet zu viel, wenn er in Schwung kommt.»
«Nein, nein, nein», erwiderte der Herr, «nicht im geringsten. Wir haben gemeinsame Interessen und führen ein höchst vergnügliches Gespräch.»
Zum zweitenmal an diesem Tag ging Johnny Clagg das Herz über. Er schien sich in einer neuen Welt aufzuhalten, in der wichtige Erwachsene sich um kleine Buben und ihre Sorgen kümmerten.
Zufriedengestellt wandte sich Will Clagg wieder seinem Essen zu. Die Verbindung war unterbrochen, Johnny fühlte sich wieder sicher und geborgen in der Gesellschaft seines neuen Freundes. «Kann ich einmal Offizier werden?» fragte er den großen Mann gegenüber, der noch immer das Abzeichen in der hohlen Hand hielt.
Dieser blickte auf den Knaben, der nur durch einige Zentimeter von ihm getrennt war — und gleichzeitig durch eine so weite Kluft, daß er früher einmal gesagt hätte, sie könne nicht
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