Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
hier mag zwar nicht aufregend sein, aber er ist wichtig. Auch die versehen ihren Dienst, die nur dastehen und warten, denken Sie dran.« Jetzt reichte es Meredith. Sie stand auf. Sie war einssiebenundsiebzig groß und überragte seine sitzende Gestalt beträchtlich, was sie sehr befriedigend fand. Er sah ziemlich erschrocken aus.
»Sie mögen ja damit zufrieden sein, bis zu Ihrer Pensionierung hinter Ihrem Schreibtisch vor sich hin zu rosten. Aber ich will raus und etwas tun, bevor ich ins Gras beiße.« Sein rosiges Gesicht verfärbte sich puterrot.
»Ich glaube kaum, daß es sinnvoll ist, dieses Gespräch fortzusetzen«, knurrte er wütend und klappte die Akte zu. Mit dieser Geste schlug er gleichzeitig die Tür für einen Auslandsposten zu, das wußte sie. Wußte auch, daß sie sich das selbst zuzuschreiben hatte. Hol’s der Teufel!
»Nein, das ist es in der Tat nicht!« fauchte sie und stolzierte hinaus. Eingezwängt in einer überfüllten, stickigen U-Bahn, ließ Meredith diese Auseinandersetzung noch einmal an sich vorüberziehen und fühlte nur Zorn und Verzweiflung. Der Zorn richtete sich jetzt nicht auf ihren Gegner, sondern auf sich selbst. Sie hätte es kaum schlechter anfangen können. Ausgerechnet sie, ein Mensch, der viele schwierige Situationen mit Takt und Diplomatie gemeistert hatte. Ich bin erledigt, dachte sie düster. Das bringt mir einen dicken schwarzen Tadel ein. Jetzt krieg ich nie wieder einen Auslandsposten. Bleibe für den Rest meines Lebens Pendlerin. Jemand trat ihr auf den Fuß, und jemand anderes stieß ihr den Ellenbogen schmerzhaft in die Rippen. Oh, aus diesem täglichen Gedränge wieder draußen sein. Oh, irgendwo anders sein, egal wo. Sie bedauerte jetzt, den Mietvertrag für Rose Cottage gekündigt zu haben, obwohl sich das Haus als zu unpraktisch erwiesen hatte. Wenn sie schon nicht in Übersee sein konnte, dann wäre sie gern wieder in einer ländlichen Gegend Englands. Sie dachte an Alan und beneidete ihn. Er lebte in Bamford, einem hübschen kleinen Städtchen, umgeben von ländlichem Frieden und ländlicher Weite, und konnte dort außerdem einen lohnenden Beruf ausüben, der Abwechslung bot und gelegentlich unerwartete Gefahr. Darüber hinaus war es kurz vor Ostern. Frühling auf dem Land bedeutete wirklich neues Leben, das aus der kalten Erde sproß.
Es roch irgendwie merkwürdig im Haus, obwohl – was ihm im Treppenhaus aufgefallen war – jemand im oberen Stock ein Fenster geöffnet hatte. Wahrscheinlich einer der jüngeren Constables, ein armer Kerl, der es nicht gewohnt ist, den äußerlichen Zeichen der Sterblichkeit so nahe zu sein, dachte Alan Markby, als er die knarrende, teppichlose Treppe hinaufstieg, wobei er wegen etwa vorhandener Fingerabdrücke darauf achtete, das Geländer nicht zu berühren. Genauso achtete er darauf, die Wände nicht zu streifen, denn sie waren schmierig und starrten vor Schmutz.
Er erschien erst spät auf der Szene, da man ihn vom anderen Ende seines Bezirks herbeigerufen hatte. Die ersten Arbeiten würden bereits erledigt sein, und die Ambulanz vor dem Haus wartete nur darauf, daß er kam und sich die Leiche ansah, bevor sie weggebracht wurde. Auf der anderen Straßenseite hatte sich eine kleine Gruppe Neugieriger versammelt. Unter ihnen war mindestens ein echter Nekrophiler. Es gab gewöhnlich einen, der das Polizeipersonal aufhielt und nach den gräßlichen Einzelheiten fragte. Manchmal gaben sich die jämmerlichen Widerlinge als Journalisten aus.
Wild. Dem kam der Geruch am nächsten. Birkhuhn oder Fasan, gut abgehangen, mischte sich hier mit Staub, feuchtem Schimmel und allgemeiner Verwesung. Ganz offensichtlich handelte es sich um ein besetztes Haus. Die Reihenhäuser hier sollten abgerissen und durch einen niedrigen Wohnblock ersetzt werden. Das Nebenhaus war noch bewohnt, was sehr nützlich sein konnte, weil der Nachbar vielleicht Auskunft geben konnte. Doch das Haus, in dem er sich aufhielt, hatte theoretisch leergestanden, die unteren Fenster und die Tür waren mit Brettern vernagelt. Trotzdem waren die Hausbesetzer hineingekommen.
Hinter der Tür, am oberen Ende der Treppe, hörte Markby Stimmengemurmel. Er stieß die Tür auf, und die Gesichter wandten sich ihm zu.
»Oh, da sind Sie ja, Sir«, sagte Sergeant Pearce erleichtert. Auch er wollte weg von hier. Der Gestank war in diesem Raum intensiver. An der Tür stand ein junger, schwitzender, grüngesichtiger Constable. Es war heiß und stickig im Zimmer. Durch das
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