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Warte, bis du schlaefst

Warte, bis du schlaefst

Titel: Warte, bis du schlaefst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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überdreht, dass ich dachte, ich würde nicht einschlafen können, doch als ich die Augen schloss, schlief ich sofort ein.
    Ich sank in einen Wust von abgründigen Träumen voller Kummer und Tränen, aber da war noch etwas. Wessen Gesicht war das? Ich versuchte es zu erkennen, doch wie zum Hohn entzog es sich immer wieder. Es war nicht Mack. Als ich von ihm träumte, sah ich einen zehnjährigen Jungen mit einem abstehenden Haarbüschel, rotblonden Haaren und weit auseinanderstehenden Augen. Macks Sohn. Mein Neffe . Ich wachte gegen acht Uhr auf, streifte mir einen Morgenmantel über und ging, immer noch etwas benommen, hinunter in die Küche.
    Im Morgenlicht strahlte die Küche eine beruhigende Vertrautheit aus. Immer, wenn Mom auf Reisen war, gab sie unserer langjährigen Haushälterin einen Miniurlaub; Sue kam dann nur noch ein Mal in der Woche, um die Wohnung zu versorgen. Lauter kleine Anzeichen deuteten darauf hin, dass sie gestern da gewesen war, während ich auf Martha’s Vineyard war. Im Kühlschrank stand frische Milch, und die Post, die ich auf eine der Arbeitsflächen geworfen hatte, war säuberlich aufgestapelt. Ich war einfach nur erleichtert, dass sie während meiner Abwesenheit gekommen war. Ich hätte es nicht ertragen, wenn sie mir die ganze Zeit ihr Mitgefühl wegen Mack ausgedrückt hätte.

    Ich verspürte nicht die geringste Lust, etwas zu essen. Doch mein Kopf war klar, und ich musste in Ruhe über einige Dinge nachdenken. Das tat ich und trank dabei drei Tassen Kaffee.
    Detective Barrott. Ich hatte das Gefühl, ihn überzeugt zu haben, dass ich Mack nicht schützte, doch auf der anderen Seite hatte ich ihm eine Sache verschwiegen, die vielleicht der entscheidende Grund für Macks Verschwinden gewesen war …
    Barbara hatte mir gesagt, Bruce hasse Mack wegen seines Verhaltens ihr gegenüber. Aber vielleicht steckte noch sehr viel mehr dahinter. Bruce war schon immer verzweifelt verliebt in Barbara gewesen. Er hatte sie geheiratet und dabei ihre Vorbedingungen akzeptiert – »Sei der offizielle Vater des Kindes, das ich erwarte, und finanziere mir mein Medizinstudium.« Hatte er auf irgendeine Weise Mack gezwungen unterzutauchen? Hatte er ihm gedroht? Und wenn ja, womit?
    Das ergab alles einfach keinen Sinn.
    Macks Sohn. Ich musste ihn vor Unheil schützen. Barbara wusste nicht, dass ich ihn gesehen hatte. Er wuchs auf als Sohn einer Kinderchirurgin und eines reichen Immobilienunternehmers. Er hatte zwei kleine Schwestern. Auf keinen Fall durfte ich seine heile Welt zerstören, doch wenn ich versuchte, den Verdacht auf Bruce zu lenken, und Barrott über die Beziehung zwischen Barbara und Mack vor dessen Verschwinden nachforschen würde, dann könnte das durchaus passieren.
    Ich musste unbedingt mit jemandem reden, mit jemandem, dem ich absolut vertrauen konnte. Nick? Nein. Der Anwalt, den wir engagiert hatten, Thurston Carver? Nein. Und dann fiel mir die Antwort ein, und sie war so einfach, dass
ich kaum glauben konnte, nicht schon früher darauf gekommen zu sein: Lucas Reeves! Von Anfang an hatte er sich an den Ermittlungen beteiligt. Er hatte mit Nick, mit Barbara, mit Bruce und mit den Kramers gesprochen. Ich rief in seinem Büro an. Es war erst halb neun, doch er hob ab. Er sagte mir, ich solle so bald wie möglich zu ihm kommen. Er und seine Mitarbeiter seien mit nichts anderem beschäftigt als damit, Leeseys Entführer zu finden.
    »Auch wenn es Mack ist?«, fragte ich.
    »Natürlich, auch wenn es Mack ist, aber ich bin mir fast sicher, dass er überhaupt nichts damit zu tun hat.«
    Ich duschte und schaltete danach den Fernseher ein, während ich mich anzog. Die Polizei hatte bekannt gegeben, dass ein neuer Anruf von Leesey eingetroffen war. »Der Inhalt wurde nicht mitgeteilt, doch aus Kreisen der Polizei hieß es, man gehe nunmehr davon aus, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Leben sei«, sagte der Nachrichtensprecher von CNN.
    Während ich mir Jeans und einen langärmeligen Baumwollpulli anzog, dachte ich erleichtert, dass sie wenigstens den genauen Inhalt des Gesprächs nicht enthüllt hatten und dadurch Macks Name nicht mit hineingezogen worden war.
    Ich mag Schmuck, und ich trage immer Ohrringe und etwas um den Hals. An diesem Tag wählte ich eine dünne Goldkette mit einer Perle, die ich von Dad bekommen hatte, und dann suchte ich noch die Ohrringe heraus, die Mack mir einmal zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie hatten die Form von goldenen Sonnen, mit einem

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