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Warte, bis du schlaefst

Warte, bis du schlaefst

Titel: Warte, bis du schlaefst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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kleinen Diamanten in der Mitte. Als ich sie anlegte, fühlte ich mich Daddy und Mack verbunden.
    Reeves’ Büro war ungefähr eine Meile von Sutton Place
entfernt, also beschloss ich, zu Fuß zu gehen. Nachdem ich in den letzten Tagen so viel im Auto gesessen hatte, war mir nach etwas Bewegung zumute. Die Frage war nur, wie ich an der versammelten Presse vorbeikommen sollte. Ich versuchte es damit, dass ich in die Garage hinunterfuhr und dort ein paar Minuten wartete, bis einer der Hausbewohner auftauchte. Den sprach ich an und bat ihn, mich mitzunehmen. Es war ein vornehm aussehender älterer Mann. Ich war ihm noch nie begegnet. »Könnte ich mich einfach hinten auf dem Rücksitz verstecken, bis wir ein Stückchen entfernt sind?«, bat ich.
    Er blickte mich mitfühlend an. »Ms. MacKenzie, natürlich habe ich größtes Verständnis dafür, dass Sie den Medienvertretern entkommen möchten, aber ich fürchte, ich bin nicht der Richtige, um Ihnen zu helfen. Ich bin Bundesrichter.«
    Beinahe hätte ich ungläubig aufgelacht. Doch dann winkte der Richter jemanden herbei, der gerade aus dem Fahrstuhl kam. »Hallo, David«, sagte er. »Diese junge Dame hier benötigt Hilfe, und Sie sind ideal für diese Aufgabe.« Ich spürte meine Wangen vor Verlegenheit glühen und dankte ihnen beiden.
    David setzte mich an der Ecke Park Avenue und Fifty-seventh Street ab. Ich ging den Rest des Wegs zu Fuß. Meine Gedanken schwirrten ebenso ziellos umher wie die Papierfetzen, die vom Wind aufgewirbelt wurden und sich am Bordstein sammelten. Der Monat Mai war fast vorüber. Oh Maria, wir wollen dich mit Blüten krönen, Königin des Himmels, Königin des Mai . Das sangen wir damals jeden Mai an der Academy of the Sacred Heart, und in einem Jahr, als ich ungefähr sieben war, durfte ich sogar die Statue der Jungfrau Maria krönen.

    Als ich Lucas Reeves’ Büro betrat, half mir der Anblick des kleinen, kräftig gebauten Mannes mit der sonoren Stimme, mich wieder zu sammeln. Er schüttelte mir kräftig die Hand, als ob er gespürt hätte, dass ich menschliche Nähe benötigte. »Kommen Sie, Carolyn«, sagte er. »Ich werde Ihnen zeigen, was wir hier drinnen aufgebaut haben.« Er führte mich in einen großen Besprechungsraum. Die Wände waren bedeckt mit Fotografien, auf denen Vergrößerungen von einzelnen Gesichtern zu sehen waren. Einige davon waren Innenaufnahmen, andere wiederum waren offensichtlich im Freien aufgenommen worden. »Es fängt an mit der ersten der verschwundenen jungen Frauen, also vor zehn Jahren«, erläuterte Reeves. »Wir haben sie überall zusammengesammelt, teils aus Zeitungen, teils aus Fernsehausschnitten und Aufnahmen von Überwachungskameras. Die Bilder wurden in und außerhalb der Clubs gemacht, in denen die vier jungen Frauen zuletzt gewesen waren, bevor sie verschwanden. Ich habe schon die Ermittler vom Büro der Staatsanwaltschaft verständigt und aufgefordert, hierher zu kommen und sich die Bilder anzuschauen. Vielleicht ist ja doch ein Gesicht darunter, das irgendeine Verbindung herstellt, die bislang übersehen wurde. Kommen Sie, schauen Sie sich auch die Gesichter an.«
    Ich ging zur ersten Schauwand und betrachtete sie, stockte, als ich die Gesichter von Mack und Nick zusammen mit einigen ihrer Freunde in jenem ersten Club sah. Sie sahen noch so jung aus, dachte ich. Dann schritt ich alle vier Wände ab, von einer Collage zur nächsten, während meine Augen suchten und suchten. An einer Stelle hielt ich inne. Dieser sieht aus wie …, dachte ich, doch dann musste ich beinahe lachen. Wie dumm. Ich konnte nicht einmal das Gesicht des Mannes sehen, nur Augen und Stirn.

    »Irgendjemanden entdeckt?«, fragte Lucas.
    »Nein. Nur Mack und Nick in dem ersten Club.«
    »Gut. Dann lassen Sie uns in mein Büro gehen.«
    Wir nahmen wieder in der Sitzecke Platz. Die Dame vom Empfang brachte wieder Kaffee, und dann erzählte ich Lucas Reeves, was ich auf Martha’s Vineyard in Erfahrung gebracht hatte. Während er zuhörte, wurde seine Miene zunehmend ernster. »Dann hat es jetzt den Anschein, als habe Mack einen sehr guten Grund gehabt, zu verschwinden. Eine Frau, die er nicht liebte, erwartete ein Kind von ihm. Er wollte sie nicht heiraten, er wollte auch nicht Jura studieren. Statt sich der sicherlich großen Enttäuschung Ihrer Eltern, besonders Ihres Vaters, zu stellen, hätte er es demnach vorgezogen, davonzulaufen. Die große Mehrheit aller Verbrechen lässt sich auf zwei Ursachen zurückführen: Liebe

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