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Warum auch nette Männer nicht zum Frühstück bleiben (German Edition)

Warum auch nette Männer nicht zum Frühstück bleiben (German Edition)

Titel: Warum auch nette Männer nicht zum Frühstück bleiben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Lasse Andersson
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noch bemerkenswert gut auf den Beinen war. Ich bejahte die Frage, ob sie Alkoholikerin sei, und er sagte: »Ach Gott, die alte Dame, natürlich liegt das in ihrem Ermessen, aber ich würde von einer Entziehungskur abraten, was soll das noch in ihrem Alter, ich würde es ihr nicht zumuten wollen.«
    Um Mitternacht bekam ich einen weiteren Anruf aus der Klinik: Mama sei weg, ihre Sachen noch da. Ich fand sie ergrimmt vor ihrer Haustür sitzend, sie war im Nachthemd getürmt, hatte einen Taxifahrer bestochen, sie mitzunehmen, und das allein aus dem Grund, dass ihr in der Klinik wirklich niemand einen Schluck ans Bett bringen wollte. Dummerweise hatte sie keinen Schlüssel eingesteckt, als es ins Krankenhaus ging. Also ließ ich sie fünf ordentliche Gläser Weinbrand trinken, brachte sie zurück in die Klinik und versprach ihr, jeden Tag heimlich eine Flasche ins Krankenhaus zu schmuggeln. Damit konnte sie leben. Nach drei Tagen wurde sie entlassen, relativ gesund, aber fröhlich betrunken, um ihre letzten Wochen und Monate in Ruhe zu Hause weiterzusaufen.
    Die letzten Jahre haben sich hauptsächlich Elke und ich um sie gekümmert, schließlich waren wir auch die Einzigen, die Enkelkinder beizusteuern hatten, und außerdem wohnten wir ja wieder in Hamburg. Birgitta ist nach Stockholm ausgewandert, Victoria nach Frankfurt gezogen und Merle nach Hannover. In den letzten Monaten von Mamas Leben, so viel sei zu Merles Ehrenrettung gesagt, kam sie jedes Wochenende, logierte bei mir auf St. Pauli und kümmerte sich um Mama. Dafür versuchte ich, in der Woche nach ihr zu sehen. Als es am Ende schlimm wurde, kam ich morgens vor der Arbeit, wartete, bis der Pflegedienst da war, und fuhr abends noch einmal vorbei, um ihr im Bett die Wange zu tätscheln.
    Dass ich sie eines Morgens tot in ihrem Bettchen finde, eine müde, abgemagerte alte Frau, die es weiß Gott nicht leicht gehabt hat in ihrem Leben, ist nicht überraschend, überraschend ist lediglich, dass es mich trotz allem tieftraurig macht. Ich informiere meine Schwestern, aber es gibt nicht viel zu sagen: Mama hat sich nach Holgers Tod und zwischen ihrem 50. und 83. Lebensjahr mit großer Systematik zu Tode getrunken, und zur Hölle auch, sie hat es getan wie ein alter Seebär: ohne zu schwanken und ohne zu klagen!
    Ein bisschen Ärger gibt es allerdings wegen der Beerdigung. Maria kommt drei Tage vorher vorbei und zeigt mir stolz das schwarze Kleid, das sie extra für die Beisetzung erstanden hat: Es endet drei Millimeter unterhalb ihres Arsches, dazu trägt sie schwarze Netzstrümpfe, ihre Titten sind in diesem Dekolleté bestens zu sehen, dafür hat immerhin ihr Hut einen schwarzen Schleier. Ich sage: »Maria, Liebes, meine Kinder werden zur Beerdigung kommen. Ihre Mutter auch, die hat ein Anrecht darauf, sie hat die alte Dame gekannt und gepflegt. Und es ist zu früh, dass meine Kinder dich kennenlernen. Sei mir nicht böse, aber das muss ich allein machen.«
    Maria ist mir durchaus böse. Um nicht zu sagen: Maria tobt.
    »Du willst wieder zu deiner Frau zurück«, schreit sie.
    »Du schämst dich für mich.«
    »Ich bin dir peinlich, weil ich ein Schoko bin.«
    »Du liebst mich nicht, du bumst mich nur.«
    Wenigstens Letzteres trifft den Kern der Sache, aber es gibt Momente, in denen es selbst mir gelingt, die Klappe zu halten, und so fange ich den Kerzenhalter, den sie nach mir wirft, ziehe sie aufs Bett und tue genau das, wessen ich beschuldigt werde.
    Als ich während der Trauerfeier in der Kapelle sitze, meine Tochter rechts an der Hand, mein schniefender Sohn auf dem Schoß, vibriert mein Handy, gottlob hatte ich es vorhin auf lautlos gestellt.
    Als der Pastor spricht, den Birgitta offenbar nicht sehr sauber gebrieft hat, vom ewigen Licht und anderen Verheißungen, die Mutter Andersson jetzt erwarten dürfe, nicht zu vergessen das Wiedersehen mit ihrem geliebten Mann, kündigt das Zucken in meiner Jackentasche eine SMS an.
    Auf dem Weg zum Grab kommt die nächste. Aber man kann bei der Beerdigung ja schlecht sein Handy zücken, wenn auch nur, um es auszustellen. Also brummelt und vibriert es, bis ich kurz vor dem Leichenschmaus endlich auf die Toilette kann, um es wutentbrannt auszumachen.
    Leichenschmaus, garstiges Wort, aber immerhin sehe ich alle meine Schwestern wieder, was sonst wirklich nur zu Weihnachten passiert ist und dann auch selten alle gemeinsam, in aller Regel hatten wir Schichtdienst bei dieser betrüblichen Festivität in Mamas Wohnzimmer.
    Wir

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