Warum ausgerechnet Du
tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Im selben Moment trafen ihn die zurückschwingenden Türflügel von hinten, und er schoss unwillkürlich einen weiteren Schritt nach vorn. Aber das machte ihm nichts aus. Es war ein kleiner Preis dafür, dass er dieser unerträglichen Meute entkommen war.
Von irgendwoher hörte er eine weibliche Stimme. „Der Kaviar steht dort auf dem Tablett. Bring ihn schnell raus. Und füll die Champagnerfontäne nach. Diese Schluckspechte kennen offenbar keine Grenzen.”
Gil beugte sich vor und spähte durch die Reihe von Töpfen, die über der Kochinsel hingen. Die Frau stand auf der gegenüberliegenden Seite mit dem Rücken zu ihm an einem Herd und rührte in einem enormen Topf. Mit ihren pinkfarbenen Turnschuhen, deren Sohlen mindestens sechs Zentimeter dick waren, und mit ihrer weißblonden Mähne, die unbezähmbar aussah, obwohl sie mit einer riesigen Strass-Spange hochgesteckt war, wirkte sie auf ihn ganz und gar nicht wie ein Mitglied vom Partyservice, sondern eher wie ein junger Rockfan, der sich auf die falsche Veranstaltung verirrt hatte.
Bevor Gil etwas antworten konnte, wischte sie sich erschöpft mit dem Unterarm über die Stirn und redete weiter.
„Am Besten kontrollierst du auch noch, ob genug frische Champagnergläser da sind, wenn du schon an der Fontäne bist.
Diese Idioten kommen nie auf die Idee, sich ihr Glas einfach nachfüllen zu lassen. Oh nein, die nicht! Jedes Mal, wenn eine Bedienung vorbeikommt, muss es ein neues Glas sein.”
Das hörte sich reichlich genervt an. Doch nach all den zuckersüßen Schmeicheleien, die er jenseits der Schwingtür hatte ertragen müssen, fand Gil die Unverblümtheit der Frau geradezu herzerfrischend.
Er trat einen Schritt vor. „Warum haben Sie nicht einfach ein Fass Bier angestochen und Plastikbecher hingestellt? Dann hätten Sie sich eine Menge Arbeit erspart.”
Sie fuhr herum; ihre Blicke trafen sich. Er sah an dem kurzen Aufflackern in ihren Augen, dass sie ihn sofort erkannt hatte, und stellte sich darauf ein, ihre Entschuldigung huldvoll entgegenzunehmen, da sie offenbar geglaubt hatte, ein Kollege aus ihrem Team sei hereingekommen. Deshalb staunte er nicht schlecht, als sie ihm stattdessen wieder den Rücken zukehrte und weiter in ihrem Topf rührte.
„Wenn Sie sich verirrt haben”, meinte sie knapp, „zur Party geht’s durch diese Tür da.”
„Ich habe mich nicht verirrt. Ich verstecke mich.”
Sie klopfte den Löffel am Topfrand ab, legte ihn zur Seite und ging hinüber zum Kühlschrank. Dabei wischte sie sich die Hände an der für ihre zierliche Figur mindestens zwei Nummern zu gro
ßen Schürze ab. „Na, dann verstecken Sie sich mal woanders. Die se Küche ist schon eng genug, ohne dass Sie hier herumstehen.”
Ihr Ton war nicht gerade freundlich, aber Gil empfand ihre Kratzbürstigkeit geradezu als wohltuend im Vergleich zu dem Getue der Leute, die jenseits der Schwingtür versammelt waren.
Er ging zu dem Platz, an dem sie kurz zuvor gestanden hatte, während sie die Kühlschranktür öffnete und sich bückte, um etwas herauszunehmen. Ihre Schürze fiel dabei ein Stück weit auseinander und gab den Blick frei auf einen niedlichen kleinen Po und wohlgeformte Beine, die in Caprihosen aus hautengem Lycra mit Leopardenmuster steckten.
Gil spitzte unwillkürlich die Lippen zu einem lautlosen Pfiff.
Als die Frau sich wieder aufrichtete und umdrehte, senkte er rasch den Kopf und blickte angelegentlich in den Topf. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, als ihm der Duft von geschmolzener Schokolade in die Nase stieg.
„Kann ich irgendwie behilflich sein?” fragte Gil.
„Oh ja, natürlich”, erwiderte sie trocken und schubste ihn mit der Schulter zur Seite, um Milch in den Topf zu gießen. „Als ob der Gouverneur von Texas sich dazu herablassen würde, Küchenhilfe zu spielen.”
Gil schnalzte mit der Zunge. Er schlüpfte aus seinem Jackett und warf es über eine Stuhllehne. „Das beweist nur einmal mehr, dass man sich niemals vom äußeren Schein trügen lassen soll oder von irgendwelchen Titeln”, fügte er hinzu und lockerte seine Krawatte. Er stopfte sich ein Küchenhandtuch in den Hosenbund, nahm ihr den Löffel aus der Hand und deutete mit dem Kopf in die Richtung, in der das Tablett stand. „Warum bringen Sie den Kaviar nicht hinaus zu den Leuten, bevor sie ihn sich selbst holen und mich dabei hier entdecken?”
Sofort schnappte sie sich den Löffel wieder. „Fürs Bedienen habe ich
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