Warum diese Woche völlig in die Hose ging (German Edition)
Stille Post bereitete meiner kurzzeitigen Berühmtheit ein jähes Ende.
Fast wäre ich ein Held gewesen.
Schade, dass es so schnell vorbeiging.
3 . Stunde
Theaterkurs
Im Theaterkurs fängt alles an. Hier werden wir den ersten Schritt unternehmen, der schließlich zur Eroberung von Eleanor Wade führen wird.
Daumen drücken.
Jede Stunde des Theaterkurses beginnt mit improvisierten Aufwärmübungen. Wobei man » Aufwärmübungen« mit » sich vor allen anderen zum Affen machen« übersetzen könnte. Angeblich dienen diese erniedrigenden Übungen dazu, jegliche Hemmungen vor öffentlichen Auftritten zu beseitigen (für mich alles andere als ein Kinderspiel, wie das letzte Kapitel gezeigt hat). Überflüssig, zu betonen, dass sie für mein Selbstvertrauen nicht gerade förderlich sind. Dafür muss ich mich am Abend zuvor selbst in den Schlaf wiegen, aus Angst vor dem prätentiösen Schwachsinn, der mir am nächsten Tag bevorsteht. Die heutige Aufwärmübung besteht darin, mit erhobenen Armen laut schreiend über die Bühne zu rennen– was mich zweifellos noch mehrere Nächte lang verfolgen wird. Es versteht sich von selbst, dass es keine fünf Minuten dauert, bis jedes Gefühl von Stärke und Coolness verflogen ist, das ich mir während der fünf Minuten meiner irrtümlichen Schwanzberühmtheit erworben hatte.
Jetzt haben wir uns alle im Zuschauerraum verteilt, während unsere Lehrerin, Connie Decker, mit gekreuzten Beinen in der Mitte der Bühne sitzt und uns die Ohren vollsülzt, wie viel Theorie uns bis zum Ende des Schuljahres noch bevorsteht. Da ich hier Wörter wie » Zuschauerraum« und » Bühne« in den Mund nehme, fürchte ich fast, dass ihr euch jetzt eine Art Theater vorstellt– doch nichts könnte falscher sein. Unser » Theater« ist nichts anderes als ein großer Raum mit schwarzen Wänden. An dessen Stirnseite befinden sich drei lang gezogene hölzerne Stufen, auf denen sich billige Plastikstühle aneinanderreihen– herzlich willkommen in unserem » Zuschauerraum«! Davor breitet sich eine leere Fläche aus– herzlich willkommen auf unserer » Bühne«! Das Einzige, was entfernt an ein richtiges Theater erinnern könnte, ist der winzige Holzverhau, der sich am Ende des Zuschauerraums auf einem uralten Podest befindet– von hier aus wird die » Beleuchtung« gesteuert. Es gibt weder einen Aufenthaltsraum für die Schauspieler noch einen anderen Backstagebereich, geschweige denn irgendwelche Kulissen. Wenn wir Kulissen brauchen, müssen wir zu beiden Seiten der Bühne große schwarze Stoffflächen aufspannen, damit wir zumindest einen festen Ort haben, von dem aus wir die Bühne betreten und von ihr abgehen können, statt einfach in einer Ecke des Raumes zu stehen. Das Traurige daran ist, dass an dieser Stelle tatsächlich mal ein respektables Schultheater existierte, das seinen zahlenden Zuschauern allseits geschätzte Aufführungen bescherte. Doch im Zuge der allgemeinen Budgetkürzungen vor vier Jahren musste auch der künstlerische Bereich unserer Schule 75 Prozent seiner ursprünglichen Kapazitäten einsparen. Von den vier Theaterlehrern blieb nur ein einziger übrig, und in den ehemaligen Theaterraum ist die neue Mensa eingezogen, während wir uns mit dem alten Backstagebereich begnügen müssen. Wenn wir Glück haben, ist bei den Vorstellungen zumindest der halbe Zuschauerraum mit nicht zahlenden Schülern gefüllt. Mein ganzes Leben ist verflucht.
Connie ist gerade aufgesprungen und… wartet mal, ich muss noch schnell was erklären: Sie ist keine hochnäsige Möchtegernschauspielerin, wie man sie in vielen Filmen zu sehen bekommt, sondern eine alte, fette Lesbe. Ich nenne sie ganz bewusst so, denn sie ist wirklich alt (mindestens sechzig) und fett (größer und breiter als ich). Und ich sage » Lesbe«, weil sie eben lesbisch ist– fertig, aus. Jetzt stampft sie händeklatschend über die Bühne, während ihre Arme vor- und zurückschwingen. Sie trägt einen langen schwarzen Pullover und gleichfarbige Lycra-Leggings, wodurch sie wie ein Kind aussieht, das man in eines dieser pummeligen Bienenkostüme gesteckt hat, nur eben ohne gelbe Streifen– vielleicht wie ein Plumpudding. Ihrer Kleidung könnt ihr vermutlich entnehmen, dass sie auch nicht zu diesen energiegeladenen, blondierten, exzentrischen Weibern gehört, die auf bombastische Musicalproduktionen stehen. Sie gehört vielmehr zu diesem vergrübelten Künstlertypus– Leute, die sich ständig ans Kinn fassen und seriöses
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