Warum diese Woche völlig in die Hose ging (German Edition)
(langweiliges, deprimierendes) Theater mögen. Ich frage mich, wer mir mehr auf die Nerven geht. Die Exzentriker tragen zumindest keine Klamotten, die vor den schwarzen Wänden nicht zu erkennen sind. Trägt Connie das Zeug, weil sie depressiv ist oder weil sie glaubt, dass sie darin dünner aussieht? So oder so sieht es merkwürdig aus, vor allem wenn man darauf besteht, enge Leggings zu tragen und ständig in die Hände zu klatschen– ihre Beine sehen aus wie Wasserballons, die Schluckauf haben.
Die meisten von uns gingen irgendwelche Papiere durch (manche taten nur so) und warteten schweigend, während Connie intensiv darüber nachzudenken schien, was sie als Nächstes mit uns anfangen sollte. Eigentlich völlig überflüssig, weil wir das tun würden, was wir zu Beginn jeder Stunde tun.
» Emma!«, zwitschert sie, während sie Emma mit ihrem Patschhändchen zu sich winkt.
» Dummdidumm«, murmelt Emma, bevor sie neben mir von ihrem Stuhl aufsteht und die Bühne ansteuert.
Connie hat dort schon zwei Stühle nebeneinandergestellt. Sie setzt sich auf einen und gibt Em mit einer Geste zu verstehen, sie solle sich auf den zweiten setzen. Das tut sie (Em). Nach einem kurzen Moment der Stille beginnt sie, eine Rolle zu spielen, legt Em einen Arm um die Schultern und redet mit gekünsteltem, wenig überzeugendem Cockneyakzent auf sie ein. Oh, mein Gott. Ich spüre förmlich, wie Em innerlich zusammenzuckt. (Sie mag es ohnehin nicht, wenn man ihr zu nahe kommt, und jetzt kommt auch noch Connies penetranter Mundgeruch dazu.)
» Bist du öfta heahr?«, bellt Connie, die das klischeehafte Zerrbild einer alten Frau aus der Londoner Unterschicht abgibt und eher wie eine Australierin klingt.
Ems Ekel ist ein bisschen zu überzeugend.
» An der Bushaltestelle?«, entgegnet sie trocken.
Großes Gelächter.
» Hab dich heahr noch nie nea gesäjn.«
» Nun, normalerweise benutze ich das Automobil«, gibt Em im näselnden Ton der Londoner Oberschicht zurück. Dann entfernt sie den fremden Arm von ihrer Schulter, als wäre er ein stinkender Lappen. » Aber da es sich heute Morgen zur Inspektion befindet, bin ich gezwungen… (sie schaudert) den öffentlichen Nahverkehr… (sie muss fast würgen) in Anspruch zu nehmen.«
Erneutes großes Gelächter.
Connies Gesicht ist nur wenige Zentimeter von Ems entfernt. Ihre Augen mustern sie gierig, doch Em würdigt sie keines Blickes.
» Du magst ean also, den… Naavekeah?«
» Um ehrlich zu sein, habe ich gewisse Schwierigkeiten mit seiner… Klientel.«
Plötzlich klatscht Connie so laut in die Hände, dass alle außer Em tierisch zusammenzucken.
» Der Nächste!«, ruft sie.
Was meine Vorhersage bestätigt– ein Schüler nach dem anderen muss im Laufe der Zeit auf die Bühne und die Szene irgendwie vorantreiben, bis wir schließlich alle an diesem spontanen, aus der Not geborenen, dilettantischen » Theaterstück« teilhaben. Wann immer irgendwer in die Hände klatscht, ist das Signal für den Auftritt des nächsten Mitspielers gegeben. Mancher mit großem Mut/Ego gibt sich selbst das Einsatzzeichen, manchmal treten wir auch in einer vorher festgelegten Reihenfolge auf. Heute orientiert sich die Reihenfolge nach der Sitzordnung– von links nach rechts. Andy Gay Clay, die Rampensau, springt in diesem Moment voller Enthusiasmus auf die Bühne und wird sich bestimmt wieder etwas höchst Individuelles und Originelles einfallen lassen… er spielt einen Mann, der auf den Bus wartet! Wie ist er nur auf diese ungeheuer geistreiche Idee gekommen? Holzkopf.
(Ich möchte noch mal betonen, dass ich nichts gegen Schwule habe– Johnny Macmahon aus meinem Kunstkurs ist schwul, und er ist einer der coolsten Leute, die ich je kennengelernt habe–, ehrlich gesagt bin ich nicht mal sicher, dass Andy » Gay« Clay wirklich schwul ist. Aber ich habe entschieden was gegen Holzköpfe, und ein Holzkopf ist er definitiv.)
Noch fünf Leute, dann bin ich dran. Ah! Jetzt denkt ihr bestimmt, dass ich total nervös bin. Bin ich aber nicht! Vielleicht deswegen nicht, weil sich alle anderen schon dümmer anstellen, als die Polizei erlaubt, oder weil ich auf der Bühne stets selbstbewusst auftrete (sehr unwahrscheinlich), oder weil ich dort in eine Rolle schlüpfe und nicht ich selbst sein muss (wahrscheinlich)– wie dem auch sei, jedenfalls fällt es mir auf der Bühne weniger schwer, vor anderen Leuten zu sprechen, als im Klassenzimmer. Niemand schenkt mir, Jack Samsonite (ist doch ein cooler
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