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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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unwahrscheinlichen Worst-Case -Szenarios auf. Au contraire , sie schreibt, was werdende Mütter am dringendsten bräuchten, sei Gelassenheit. »Neun Monate Wellness!« lautet eine Überschrift in einer französischen Zeitschrift. In einer Gratisbroschüre für werdende Mütter, die vom französischen Gesundheitsministerium herausgegeben wird, steht, die darin genannten Ernährungstipps würden »das harmonische Wachstum des Kindes fördern« und Frauen sollten sich von den verschiedenen Aromen »inspirieren« lassen: »Die Schwangerschaft sollte eine Zeit des Glücks sein!«
    Ist das alles unbedenklich? Anscheinend schon. Was die statistischen Daten zu Mutter-Kind-Gesundheit angeht, ist Frankreich den Vereinigten Staaten weit voraus: Die Kindersterblichkeit ist in Frankreich um 57 Prozent niedriger als in Amerika. Laut Unicef haben 6,6 Prozent aller französischen Babys ein zu niedriges Geburtsgewicht, in Amerika sind es 8 Prozent. Das Risiko für eine Amerikanerin, während der Schwangerschaft oder der Geburt zu sterben, ist 1 : 4800, in Frankreich 1 : 6900! 6
    Doch was die französische Botschaft, dass man die Schwangerschaft genießen sollte, am besten rüberbringt, ist weder eine Statistik noch eine Schwangere aus meinem Bekanntenkreis, sondern eine trächtige Katze. Die schlanke, grauäugige Katze, die in unserem Innenhof lebt, steht kurz davor, Junge zu bekommen. Ihre Besitzerin, eine hübsche Malerin um die vierzig, erzählt mir, dass sie die Katze sterilisieren lassen will, nachdem die Kätzchen da sind. Aber sie bringe es einfach nicht über sich, das zu tun, bevor die Katze einmal trächtig gewesen sei. »Ich will sie einfach nicht um diese wunderbare Erfahrung bringen«, so die Malerin.
    Natürlich sind werdende Mütter in Frankreich nicht nur gelassener als wir, sondern genau wie die Katze auch schlanker. Wenn auch nicht alle: Einige Französinnen werden in der Schwangerschaft dick. Man kann generell sagen, dass der BMI zunimmt, je weiter man sich von der Pariser Innenstadt entfernt. Aber die Mittelschichts-Pariserinnen aus meiner Umgebung sehen den VIPs auf den roten Teppichen ähnlich. Sie haben basketballgroße Babybäuche und dünne Beine, Arme und Hüften. Von hinten merkt man meist gar nicht, dass sie ein Kind erwarten.
    Es gibt so viele Schwangere mit solchen tollen Figuren, dass mir nicht länger die Kinnlade herunterfällt, wenn ich ihnen auf der Straße oder im Supermarkt begegne. Die französische Norm ist sehr streng. Laut amerikanischen Gewichtsrechnern darf ich bei meiner Größe und bei meinem Ausgangsgewicht 17,5 Kilo während der Schwangerschaft zunehmen. Französischen Berechnungen zufolge sollte ich nicht mehr als 13 Kilo zunehmen. (Aber als ich das lese, ist es bereits zu spät.)
    Wie schaffen es die Französinnen, diese Norm einzuhalten? Sozialer Druck hilft. Freunde, Schwestern und Schwiegermütter verkünden unverblümt, eine Schwangerschaft sei keine Entschuldigung für Völlerei. (Das Schlimmste bleibt mir erspart, da ich keine französischen Schwiegereltern habe.) Audrey, eine französische Journalistin mit drei Kindern, erzählt mir, dass sie ihre deutsche Schwägerin zur Mäßigung ermahnt habe, die vorher groß und schlank war.
    »Kaum war sie schwanger, wurde sie fett. Ich fand das monströs, aber sie meinte: ›Nein, alles bestens, ich darf mich gehen lassen. Ich darf dick werden. Das ist nichts Besonderes‹. Für uns Französinnen wäre so etwas undenkbar. Wir würden das niemals sagen.« Sie kann es nicht lassen, noch eine als soziologische Anmerkung verbrämte spitze Bemerkung draufzusetzen: »Ich glaube, Amerikaner und Deutsche haben ein viel lockereres Verhältnis zu ästhetischen Fragen.«
    Jeder hier findet es selbstverständlich, dass Schwangere sich bemühen sollten, ihre gute Figur zu behalten. Während meine Fußpflegerin meine Füße bearbeitet, verkündet sie ungefragt, ich solle meinen Bauch mit Mandelöl einreiben, um Dehnungsstreifen zu vermeiden. (Ich tue das pflichtschuldig und bekomme wirklich keine.) Elternzeitschriften bringen lange Artikel darüber, wie man die Schäden begrenzt, die die Schwangerschaft dem Busen zufügt. (Nicht zu viel zunehmen und täglich kalte Brustduschen.)
    Französische Ärzte betrachten die Gewichtszunahmegrenzen als sakrosankt. Ausländerinnen verschlägt es regelmäßig die Sprache, wenn ihre französischen Frauenärzte sie tadeln, sobald sie die Gewichtsgrenze auch nur knapp überschreiten. »Die französischen Männer

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