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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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versuchen bloß, ihre Frauen schlank zu halten«, murrte eine mit einem Franzosen verheiratete Britin, als sie an ihre Vorsorgeuntersuchungen in Paris zurückdenkt. Kinderärzte fühlen sich sogar dazu berechtigt, Kommentare über den Bauch einer frischgebackenen Mutter zu machen, wenn sie ihren Nachwuchs zur Kontrolluntersuchung bringt. (Meiner wirft nur einen besorgten Blick darauf.)
    Der Hauptgrund, warum schwangere Französinnen nicht fett werden, ist der, dass sie sehr darauf achten, nicht zu viel zu essen. In französischen Schwangerschaftsratgebern sind nächtliche Eiersalat-Fressorgien nicht vorgesehen. Es gibt auch keine Empfehlung, weiterzuessen, wenn man bereits satt ist, nur um den Fötus mit Nährstoffen zu versorgen. Frauen, die ein Kind erwarten, sollen sich genauso ausgewogen und kalorienbewusst ernähren wie jeder gesunde Erwachsene. In einem Ratgeber steht, eine Frau solle, wenn sie nachmittags Hunger bekomme, einen Extrasnack in Form eines Sechstelbaguettes mit einem Stück Käse und ein Glas Wasser zu sich nehmen.
    Aus französischer Sicht sind Schwangerengelüste ein Ärgernis, dem man den Kampf ansagen muss. Französinnen reden sich nicht ein, dass der Fötus unbedingt ein Stück Käsekuchen braucht. In einem französischen Ratgeber für werdende Mütter steht, man solle den Gelüsten nicht nachgeben, sondern sich ablenken, indem man einen Apfel oder eine rohe Möhre esse.
    Das ist längst nicht so genussfeindlich wie es klingt. Französinnen betrachten die Schwangerschaft nur nicht als Vorwand, sich zu überfressen. Das brauchen sie auch nicht, weil sie in ihrem Leben noch nie auf das verzichtet haben, was sie mögen, sich aber auch nicht heimlich damit vollstopfen. Wir dagegen essen viel zu oft heimlich, so Mireille Guiliano in ihrem klugen Buch Warum französische Frauen nicht dick werden: Lebenslust macht schlank . Das fördere weniger den Genuss, sondern vor allem das schlechte Gewissen. Wer zwanghaft versuche, sich bestimmte Genüsse ganz zu versagen, nehme sogar eher zu, als Pfunde zu verlieren.
    Ein weiteres großes Problem besteht in der Frage, wie man gebären soll. Ich treffe in Rom eine Amerikanerin, die ihr Baby in einem italienischen Weinfass zur Welt gebracht hat (das allerdings mit Wasser und nicht mit Pinot Grigio gefüllt war). Eine Freundin aus Miami hat gelesen, der Geburtsschmerz sei nur ein kulturelles Konstrukt. Also hat sie trainiert, ihre Zwillinge ausschließlich mit Hilfe von Yoga-Atmung zur Welt zu bringen.
    Wir erwarten, dass die Geburt des Kindes genau auf uns zugeschnitten wird, wie auch sonst alles in unserem Leben. Mein Frauenarzt erzählt mir, er habe von einer amerikanischen Patientin mal einen vierseitigen Geburtsplan bekommen. Der Plan sah vor, dass nach der Geburt die Klitoris der Frau massiert wird. Die Gebärmutterkontraktionen während des Orgasmus sollten dabei helfen, die Nachgeburt abzustoßen.
    Bei dieser ganzen Kontrollsucht und Übervorsicht erwähnt niemand, dass das Gesundheitssystem Frankreichs in der neuesten WHO-Statistik an erster Stelle stand. Das sollte uns eigentlich ein Gefühl von Sicherheit geben. Stattdessen kritisieren wir, wie übermedizinisiert und unnatürlich das französische System sei. Ausländerinnen fürchten sich davor, dass französische Ärzte bei ihnen künstlich die Wehen einleiten, sie zu einer PDA zwingen und dann heimlich ihrem Baby die Flasche geben, damit sie nicht mehr stillen können. Wir alle kennen die zahlreichen Schwangerschaftszeitschriften, die die verschwindend geringen Risiken einer PDA hochspielen. Und diejenigen unter uns, die eine natürliche Geburt hinter sich haben, gebärden sich wie Kriegshelden.
    Obwohl Dr. Fernand Lamaze, der Erfinder der Entspannungstechniken für eine schmerzarme Geburt, in Frankreich geboren wurde, ist hier die PDA inzwischen weit verbreitet. In den wichtigsten Geburtskliniken und -krankenhäusern von Paris bekommen durchschnittlich 87 Prozent aller Frauen eine PDA 7 (Kaiserschnitt-Patientinnen nicht miteingerechnet). In einigen Krankenhäusern sind es sogar 98 oder 99 Prozent.
    Französische Mütter fragen mich oft, wo ich mein Kind zur Welt bringen will, aber nie, wie . Das scheint ihnen egal zu sein. In Frankreich folgt die Art der Geburt keinem bestimmten Wertekanon und sagt auch nichts darüber aus, welcher Typ von Eltern man sein will. Es geht einfach nur darum, das Kind sicher von der Gebärmutter in den Arm zu bekommen.
    In Frankreich bezeichnet man eine Geburt ohne PDA

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