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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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Nachbarschaft, mir ihre Wohnung zeigt. Sie ist als Tochter algerischer Einwanderer in Chartres aufgewachsen. Ich bewundere ihre meterhohen Decken und Kronleuchter, als sie einen Stapel Fotos vom Kaminsims nimmt.
    »Auf dem bin ich schwanger, und auf dem auch. Et voilà , hier kommt mein dicker Bauch!« Sie reicht mir mehrere Bilder. Es stimmt, sie ist wahnsinnig schwanger auf den Fotos und gleichzeitig wahnsinnig oben ohne.
    Ich bin schockiert. Zum einen, weil wir uns (noch) siezen und sie mir unbekümmert Nacktfotos von sich zeigt. Und zum anderen, weil die Bilder so umwerfend sind. Samia sieht aus wie eines von diesen Dessous-Models aus einer Modezeitschrift, sans einen wichtigen Dessousbestandteil.
    Zugegeben, Samia ist ein glamouröser Typ. Wenn sie ihre Zweijährige in die Krippe bringt, sieht sie aus, als wäre sie einem Film noir entsprungen: eng gegürteter beiger Trenchcoat, schwarzer Eyeliner und frisch aufgetragener, glänzend roter Lippenstift. Sie ist die einzige Französin aus meinem Bekanntenkreis, die tatsächlich eine Baskenmütze trägt.
    Trotzdem hat Samia nichts anderes getan, als die französische Binsenweisheit zu befolgen, dass man wegen der vierzigwöchigen Verwandlung in eine Mutter noch lange nicht weniger feminin sein muss. Französische Schwangerschaftszeitschriften schreiben nicht nur, dass Schwangere Sex haben dürfen, sie erklären auch detailliert, wie. Neuf mois zeigt zehn verschiedene Stellungen, einschließlich »Reiterin«, »Die verirrte Reiterin«, »Doggy Style« (angeblich ein grand classique ) und »Schaukelstuhl«. Bei der »Bootsfahrt« ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung angegeben, die in folgendem Satz gipfelt: »Indem sie sich mit dem Oberkörper vor- und zurückwiegt, empfindet Madame eine köstliche Reibung …«
    Neuf Mois geht auch auf die Vorzüge ein, die diverse Sexspielzeuge für Schwangere haben können (Lustkugeln ja, Vibratoren und Elektrospielzeug nein). »Trauen Sie sich! Davon haben alle was, sogar das Baby. Beim Orgasmus spürt es den ›Jacuzzi-Effekt‹, ganz so, als bekäme es eine Unterwassermassage«, steht im dazugehörigen Text. Ein Pariser Vater warnt meinen Mann davor, sich während der Geburt vor den »Ort des Geschehens« zu stellen, damit mein weibliches Geheimnis erhalten bleibe.
    In Frankreich sind werdende Eltern in puncto Sex offensichtlich deutlich gelassener. Sie sind es auch in Bezug auf Nahrungsmittel. Hört man Samia zu, könnte man meinen, ihr Gespräch mit dem Frauenarzt sei reinstes Kabarett:
    »›Ich bin schwanger, Herr Doktor, aber ich liebe Austern. Was soll ich tun?‹ Woraufhin er sagt, ›Essen Sie Austern!‹, um mir dann zu erklären: ›Sie machen mir einen ziemlich vernünftigen Eindruck. Waschen Sie die Lebensmittel sorgfältig. Und wenn Sie Sushi essen gehen, dann in einem guten Restaurant.‹«
    Das Klischee, dass schwangere Französinnen rauchen und trinken, ist längst überholt. Die meisten Frauen aus meinem Bekanntenkreis erzählen, dass sie höchstens hin und wieder ein Glas Champagner oder aber gar keinen Alkohol getrunken haben. Ich sehe in Paris genau ein Mal eine rauchende Schwangere auf der Straße. Vielleicht war es ihre einzige Zigarette pro Monat.
    Es ist nicht so, dass in Frankreich alles erlaubt wäre. Die Französinnen sind einfach nur gelassener und vernünftiger. Im Gegensatz zu mir unterscheiden die Französinnen zwischen Dingen, die tatsächlich schädlich sind, und denen, die es nur sind, wenn man nicht aufpasst. Caroline, eine andere Frau aus der Nachbarschaft, ist Physiotherapeutin und im siebten Monat schwanger. Sie erzählt, ihr Arzt habe ihr überhaupt keine Lebensmittel verboten, und sie habe auch nie danach gefragt: »Besser, ich weiß es erst gar nicht!« Sie gesteht mir, dass sie Steak tartare isst und natürlich an Weihnachten mit ihrer Familie foie gras genossen hat. Sie achte nur darauf, solche Dinge in guten Restaurants oder bei sich zu Hause zu essen. Ihr einziges Zugeständnis besteht darin, beim Rohmilchkäse die Rinde abzuschneiden.
    Ich persönlich habe nie eine Schwangere Austern essen sehen. Und wenn, hätte ich mich vielleicht verpflichtet gefühlt, mit meinem Riesenbauch dazwischenzugehen. Etwas, das mit Sicherheit Befremden hervorrufen würde. Kein Wunder, dass französische Kellner staunen, wenn ich sie zu den Zutaten eines jeden Gerichts verhöre. Französinnen machen in der Regel kein Aufhebens darum.
    Die französische Schwangerschaftspresse hält sich nicht mit

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