Warum hab ich ihn gekuesst
die besorgten Fragen ihre Mutter und überlegte, wie diese wohl reagieren würde, wenn sie ihr alles erzählte. Wie konnte sie sich von Drew nur in diese vermeintliche Verlobung drängen lassen?
Bei der ersten Gelegenheit würde sie sie lösen. Aber wie? Eine Idee nahm in ihren Gedanken Gestalt an, und Kirsty stand von ihrem Stuhl am Fenster auf und legte das Manuskript darauf.
Drew war ein sehr stolzer Mann, das hatte sein Verhalten Beverley Travers gegenüber bewiesen. Was war, wenn sie den Spieß einfach umdrehte und es ihm unmöglich machte, ihre vermeintliche Verlobung aufrechtzuerhalten und gleichzeitig seinen Stolz zu bewahren. Eine simple Lösung lag auf der Hand, und obwohl Kirsty davor zurückschreckte, gab die Erinnerung an die Gefühle, die sie in seinen Armen verspürt hatte, und die Tatsache, dass er dabei überhaupt nichts empfunden hatte, den Ausschlag. Sie wollte mit einem anderen Mann flirten, und zwar so unverhohlen, dass Drew die „Verlobung" löste. Sie wusste nicht, ob es funktionieren würde, aber sie musste es probieren, denn sie wollte nichts unversucht lassen, um die Rolle seiner liebenden Verlobten nicht spielen zu müssen.
Von Cherry hatte sie erfahren, dass Clive ein Charmeur war. Ihr war nicht entgangen, wie er sie angesehen hatte, und da er offenbar eine sehr unbekümmerte Art hatte, würde er sicher nicht davor zurückschrecken, mit einer Frau zu flirten, die seines Wissens einen Partner hatte - vor allem wenn dieser ein Mann wie Drew war. Clive war ein wenig eifersüchtig auf Drew, das hatte sie ihm angemerkt.
Das Ganze erforderte auch nicht besonders viel Feingefühl. Sie würde Clive nicht ermutigen müssen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass Drew es hinnahm, wenn seine Verlobte mit einem anderen Mann flirtete, auch wenn sie gar nicht seine Verlobte war. Das Beste wäre, wenn sie Drew dazu bringen könnte, einen Streit in der Öffentlichkeit vom Zaun zu brechen, in dessen Verlauf er ihr ein Ultimatum stellte und sie unter Tränen die Verlobung löste.
Bei der Vorstellung, dass sie ihre Eltern damit einigen Kummer bereiten würde, war Kirsty unbehaglich zu Mute, doch auf seine Gefühle brauchte sie wirklich keine Rücksicht zu nehmen, nachdem Drew sie so behandelt hatte! Er benutzte sie nur und würde nichts dagegen tun können, wenn sie den Spieß einfach umdrehte. Noch so eine Szene wie die am vergangenen Abend würde sie nicht ertragen können. Noch immer prickelte ihre Haut bei der Erinnerung an seine Berührung, und ihr Körper war ihr fast beängstigend fremd. Es alarmierte sie, dass Drew sie so leicht hatte erregen können. Es musste daran liegen, dass er ein so erfahrener Liebhaber war - eine andere Erklärung wollte sie nicht gelten lassen.
Kirsty beschloss, zu Fuß zum Theater zu gehen. Es war ein kühler Nachmittag, und sie atmete tief die frische Luft ein, als sie am Flussufer entlangmarschierte. Sie hatte sich für die Probe lässig angezogen - ein dünnes T-Shirt, darüber einen weiten braunen Pullover, Jeans und Wildlederstiefeletten, die sie im letzten Herbst gekauft hatte und die nun schon etwas abgewetzt aussahen.
Dennoch betrachteten viele der Leute, die ihr entgegenkamen, anerkennend ihre schlanke Figur und ihr hübsches, gerötetes Gesicht und bewunderten ihren jugendlichen Gang.
Kirsty nahm ihre bewundernden Blicke gar nicht wahr, weil sie es kaum erwarten konnte, zum Theater zu gelangen und ihren Plan in die Tat umzusetzen. Ihre Augen funkelten, und sie hob entschlossen das Kinn.
Mr. Drew Chalmers glaubte also, er könnte sie herumschubsen und dazu zwingen, bei seinen Plänen mitzumachen? Dann wurde es höchste Zeit, dass sie ihn eines Besseren belehrte.
Fast alle anderen hatten sich bereits im Theater eingefunden, als Kirsty dort eintraf. Cherry kochte gerade Kaffee und reichte ihr einen Becher. Dabei teilte sie ihr mit, dass eigentlich jeder seinen eigenen Becher hatte. „Du kannst dir einen auf dem Wochenmarkt kaufen", fügte sie hinzu. „Es sei denn, du möchtest den Becher deines Herzallerliebsten mit ihm teilen."
Kirsty schluckte eine scharfe Entgegnung hinunter und rang sich ein Lächeln ab. Schließlich meinte Cherry es nicht böse und wusste zudem nicht, was tatsächlich los war.
„Kirsty, du kommst eine Viertelstunde zu spät!" hörte Kirsty im nächsten Moment Drew scharf sagen. Wie ein Herzallerliebster klang er in dem Moment nicht gerade.
Einige ihrer Kollegen schienen genauso überrascht zu sein wie sie,
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