Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Stattdessen folgt er den Grundsätzen »Der Sieger bekommt alles« und »Dem, der hat, wird gegeben werden«. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs widmeten sich die freien westlichen Demokratien mehrere Jahrzehnte lang der Frage, wie man das Potential des Kapitalismus für wirtschaftliches Wachstum nutzen könnte, um dem normalen Bürger ein besseres Leben zu ermöglichen. Der Düsenantrieb des Kapitalismus wurde vor den Ochsenkarren der sozialen Gerechtigkeit gespannt. Das führte zu dumpfem Gemecker bei den Vertretern des reinen Kapitalismus, aber im Ergebnis entwickelten sich die freien westlichen Demokratien zu der bewundernswertesten Gesellschaftsform, die es je auf der Welt gegeben hat – ng den hat icht die bewundernswerteste Gesellschaft, die wir uns vorstellen können, und keineswegs perfekt, aber immerhin das Beste, was die Menschheit bis dahin zustande gebracht hatte. Dann fiel die Mauer und die Regierungen der westlichen Industrienationen begannen in unterschiedlichem Maße, den Aspekt der sozialen Gerechtigkeit, der in der Nachkriegsgesellschaft eine so wichtige Rolle gespielt hatte, über Bord zu werfen. Der Düsenantrieb wurde vom Ochsenkarren losgespannt und man erlaubte ihm, seinem eigenen Tempo zu folgen und davonzubrausen. Das Resultat war ein nie dagewesener Aufschwung, an dem zwei Dinge von Grund auf nicht stimmten: Er war weder gerecht, noch würde er sich aufrechterhalten lassen.
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Dieses Phänomen war am Beispiel Islands besonders deutlich zu erkennen, weil dort die Banken erst 2001 privatisiert wurden.Die kollektivistische Tradition in Island war so stark, dass sie weniger eine Ideologie als vielmehr ein Teil des Volkscharakters zu sein schien. Das passt zu einem Land, das sich sehr wohl bewusst ist, in welchem Maße es von seiner Isolation und seiner Geschichte als Wikingersiedlung, aber auch der allgegenwärtigen Unwirtlichkeit seiner geographischen Lage und seines Klimas geprägt wurde. In den achtziger Jahren nahm die isländische Unabhängigkeitspartei, die seit der Trennung von Dänemark mehr oder minder ununterbrochen die Regierung gestellt hatte, eine immer stärker ideologiegeprägte Haltung ein. Die jungen, energischen Politiker schauten bewundernd auf die Politik des freien Marktes, wie sie von Ronald Reagan und Margaret Thatcher propagiert wurde. Sie begannen sich zu fragen, zu welch großen Taten Island wohl fähig wäre, wenn es sich von dem Modell der Nationalisierung und Regulierung verabschiedete. Das war der Anfang eines langen Wegs in Richtung freie Marktwirtschaft. Im Jahr 2001 wurden die Banken privatisiert; diese politische Entscheidung war zunächst ein triumphaler Erfolg, verkehrte sich dann aber in eine völlige Katastrophe.
So schnell und so vollständig können die Dinge in einer Gesellschaft schiefgehen, wenn ihre Banken Schiffbruch erleiden. Das liegt daran, dass die Banken für das Funktionieren einer gut entwickelten Wirtschaft unentbehrlich sind. Besonders wichtig sind sie für die Vergabe von Krediten, und Kredite sind für eine moderne Wirtschaft so lebenswichtig wie für uns die Luft zum Atmen. Wenn Banken untergehen, dann geht alles andere auch unter: Eine Bankenkrise lässt einen mit dem Gefühl zurück, während des Fahrens bei Höchstgeschwindigkeit den Rückwärtsgang eingelegt zu haben.
Eigentlich sollte es so funktionieren: Eine gut geführte Bank ist eine Geldproduktionsmaschine. Das Grundprinzip des Bankwesens ist, den Leuten, die der Bank Geld leihen, einen niedrigen Zinssatz, und denen, die Geld bei ihr ausleihen, einen hohen Zinssatz zu berechnen. Die Bank leiht sich zum Beispiel für einen Satz von 3 Prozent Geld aus und verleiht Geld für einen Satz von 6 Prozent. Solange sie die beidenTransaktionen im Gleichgewicht hält und darauf achtet, dass sie nur solchen Leuten Geld leiht, die es auch auf jeden Fall wieder zurückzahlen werden, kann sie sich darauf verlassen, für alle Zukunft einen Gewinn einzufahren. Und eine solche Institution kurbelt dann ganz von allein die übrige Wirtschaft an. Wie das funktioniert, erklärt Philip Coggan in seiner exzellenten Einführung zum britischen Finanzmarkt The Money Machine . Stellen wir uns ein Land vor, das – um die Sache einfach zu halten – nur eine einzige Bank hat. Ein Kunde betritt die Bank und zahlt 200 Euro ein. Jetzt verfügt die Bank über 200 Euro, die sie investieren kann. Also kauft sie mit dem Geld einige Aktien – aber nicht mit dem ganzen Geld. Einen Teil davon behält sie als
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