Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
schuldet
5 000
Altersvorsorge
40 000
Gesamt
280 000
Passiva
Anteil des Hauses, der der Bank gehört
130 000
Kreditkartenschulden
2 000
Autokredit
2 000
Ausstehende Zahlungen für die Dinge, die mir gehören
6 000
Gesamt
140 000
Eigenkapital
140 000
Bilanzsumme
280 000
Ihnen wird aufgefallen sein, dass es in dieser Aufstellung einen Posten mit der Bezeichnung »Eigenkapital« gibt. Dabei handelt es sich um jene wundersame Zutat, die dafür sorgt, dass eineBilanz immer ausgeglichen ist. Das Eigenkapital wird zu den Passiva hinzugefügt, damit deren Summe den Aktiva entspricht. Dass es auf der Sollseite erscheint, mag zunächst bedrohlich wirken, was es jedoch keineswegs ist; es ist etwas durchaus Positives. Beim Eigenkapital handelt es sich um den Betrag, um den Sie sich im Plus befinden; die Summe, um die Ihre Habenseite Ihre Sollseite übersteigt. Das Eigenkapital ist Ihre Sicherheitsspanne, Ihr Nettokapital, es ist das Element, das Ihren Laden am Laufen hält.
Stellen Sie sich nun einen Moment lang vor, Sie wären ein Unternehmen: Sie sind jetzt die XY-GmbH. Sie möchten gern Aktien Ihres Unternehmens verkaufen. Der Teil des Unternehmens, für den Sie die Aktien verkaufen, ist Ihr Eigenkapital. Der Käufer übernimmt nicht einen Anteil an den Aktiva oder Passiva, sondern am Eigenkapital. Nehmen wir an, ich hätte 10 Prozent Ihres Eigenkapitals gekauft, so wie es in der obigen Bilanz vermerkt ist, zu einem Preis von 14 000 Euro (was ein angemessener Preis wäre, denn das ist ja genau sein gegenwärtiger Wert). In, sagen wir, einem Jahr haben Sie dann von Ihrer Hypothek 10 000 Euro zurückgezahlt, der Preis Ihres Hauses hat sich verdoppelt, am Arbeitsplatz zahlt man Ihnen ein besseres Gehalt und somit haben Sie weitere 10 000 Euro auf der Bank – wunderbar, unser Eigenkapital beläuft sich nun auf 190 000 Euro. Mein Zehntel-Anteil an Ihrem Eigenkapital ist nun 19 000 Euro wert. Nicht schlecht. Ich könnte diesen Anteil jetzt verkaufen und einen schönen Profit dabei machen, oder ich könnte ihn behalten und darauf bauen, dass es für Sie in Zukunft noch besser laufen wird. Andererseits besteht die besorgniserregende Möglichkeit, dass ein ganz übles Jahr hinter Ihnen liegt: Der Preis Ihres Hauses könnte sich halbiert haben, man hat Sie womöglich auf einen Teilzeitarbeitsplatz abgeschoben, so dass Sie nun nur noch die Hälfte verdienen und deshalb all Ihre Ersparnisse verbraucht haben; mehrere Leute, die Ihnen Geld schulden, sind bankrott gegangen, Ihr Auto hat 30 Prozent seines Wertes verloren, Ihre Altersvorsorge wurde ausradiert, weil das Geld schlecht angelegt war: Mit einem Wort, die Summe IhrerAktiva hat sich um 160 000 Euro verringert. Auf der Sollseite stehen jedoch nach wie vor dieselben Posten. Nun haben Sie ein Problem: Ihre Passiva übersteigen jetzt Ihre Aktiva, und zwar um ganze 20 000 Euro. Genauer gesagt, Sie sind pleite. In der Sprache des Buchhaltungswesens würde man sagen: Sie sind insolvent. Sie haben eines der zwei Kriterien für Insolvenz erfüllt: Ihre Passiva übersteigen Ihre Aktiva. Das andere Kriterium wäre erfüllt, wenn Sie außerstande wären, Ihre Schulden bei Fälligkeit zu bezahlen. Im britischen Recht ist die Erfüllung eines der beiden Kriterien gleichbedeutend mit Insolvenz. Und das Betreiben von Handelsgeschäften bei Insolvenz ist strafbar.
Es könnte jedoch ein Schlupfloch geben. Sind Sie tatsächlich insolvent? Ich habe hier die Einzelheiten dieses Beispiels sehr unmissverständlich dargestellt, aber man könnte argumentieren – und in vergleichbaren Fällen tun die Leute das tatsächlich –, dass Ihr Problem nicht unbedingt Insolvenz ist, sondern Illiquidität. Liquidität heißt, dass man in der Lage ist, Vermögenswerte – also das, was auf der Habenseite steht – in etwas zu verwandeln, das man kaufen oder verkaufen kann. Bei einem schwachen Immobilienmarkt könnte es sehr wohl sein, dass nicht der Wert Ihres Hauses das Problem ist, sondern die Tatsache, dass Sie es nicht verkaufen können, weil gerade niemand Immobilien haben will. Oder Sie könnten es verkaufen, aber dann zu einem künstlich nach unten gedrückten, aberwitzig billigen Preis; in Großbritannien nennt man das einen »fire sale«. Sobald der Markt wieder zur Normalität zurückkehrt, könnten Sie Ihr Haus auch wieder zu seinem wahren Wert verkaufen. Das bedeutet also, dass Sie nicht wirklich insolvent sind, sondern nur in einer momentanen Zahlungsunfähigkeit feststecken. Im oben
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