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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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hätte, sondern weil man größere, riskantere Wetten eingegangen war. Man hatte mehr Geld in den Roulettekessel geworfen. Und das ist nicht einfach nur eine Metapher, es ist genau die Schlussfolgerung, zu der Andrew Haldane, der geschäftsführende Direktor für Finanzmarktstabilität bei der Bank of England, in einer wissenschaftlichen Untersuchung gelangt ist. Zwischen 1986 und 2006 stieg die Jahresdurchschnittsrrchrchschnendite der Bankaktien von ihrem historischen Mittelwert von 2 auf ganze 16 Prozent. Und warum? Weil die Banken größere Wetten abschlossen. Es ging nicht um mehr Können, Effizienz, Intelligenz oder Urteilsvermögen, sondern nur um riskantere Wetten. Haldane stellt in seiner Untersuchung fest: »Seit dem Jahr 2000 war es allein die gestiegene Leverage Ratio, die beiden britischen Banken für die Schwankungen in der Eigenkapitalrendite verantwortlich war – sowohl, was 2007 den Anstieg auf 24 Prozent betraf als auch 2008 den Sturz in den Negativbereich.« 10 Das ist ziemlich erstaunlich. Haldane, einer der Direktoren der Bank of England, sagt hier mehr oder weniger, dass die meisten derBanker, die sich selbst so enorme Boni ausbezahlten, dies einzig und allein aus dem Grund taten, weil sie größere Risiken eingingen. Und wie sich herausstellte, waren es am Ende wir, die Steuerzahler, die ihre Zockerei unwissentlich und ungewollt finanzierten. Ein solches Verhalten öffnete der Katastrophe nicht nur Tür und Tor, es schickte ihr sozusagen eine persönliche Einladungskarte, gefolgt von drängenden E-Mails und Telefonanrufen, damit sie ihr Kommen nur ja nicht vergaß und sich auch auf jeden Fall einstellte.
    All diesen Banken, die ins Schleudern gerieten – und auch allen anderen Firmen und Institutionen weltweit, die von der Kreditkrise getroffen wurden –, war gemeinsam, dass ihre Wetten schiefgingen. Auf der linken Seite ihrer Bilanzaufstellung, dort, wo die Aktiva aufgelistet sind, tauchten plötzlich riesige Löcher auf. Das bedeutete, dass sie über Nacht und ganz unmittelbar in Gefahr gerieten, ihre Verbindlichkeiten könnten ihre Vermögenswerte übersteigen, was eine Insolvenz zur Folge gehabt hätte. Diese nunmehr wertlosen Aktiva stehen alle auf die eine oder andere Weise mit dem Kollaps der Immobilienpreise in den USA und andernorts in Verbindung. Sie werden oft auch als »toxische Aktiva« bezeichnet, oder beschönigend als »troubled assets« (Problemaktiva), wie in dem USamerikanischen Regierungsprogramm TARP (Troubled Assets Relief Program). Der Begriff »toxische Aktiva« ist allerdings irreführend. Man denkt dabei unwillkürlich an Superman, wie er eine Rakete voll böser Giftstoffe abfängt, die irgendein Schurke ins All geschossen hat. Doch die fraglichen Aktiva haben nicht etwa irgendeine magische Befähigung, giftiges Geld über ihre Umgebung zu versprühen. Toxisch sind an ihnen die Preise. Die Journalistin Stephanie Flanders sagte einmal in der BBC, es wäre treffender, diese Aktiva als »toxische Preise« zu bezeichnen – das würde die Angelegenheit vereinfachen.
    Für gewöhnlich wird das Ganze wie folgt definiert: Es handelt sich hier um Aktiva, für die sich kein Preis festlegen lässt und die daher im gesamten Finanzsystem Ungewissheit undUnsicherheit verbreiten. Aber das stimmt so nicht ganz. Es trifft zwar zu, dass einige problematische Vermögenswerte, die aus Hypothekendarlehen bestehen, im Augenblick keinen Preis haben, weil es für sie keinen Absatzmarkt gibt. Und es wäre auch müßig, darüber zu diskutieren, ob es je wieder einen Markt dafür geben wird. Viele dieser Aktiva haben aber durchaus einen Preis – es gibt dort draußen Käufer, die bereit wären, sie zu erwerben. Und das leuchtet ein. Wenn man zum Beispiel die Übernahme von HBOS durch Lloyds betrachtet – die Fusion eines renommierten Bankgiganten mit Großbritanniens größter Bausparkasse, die sich ebenfalls in eine Bank verwandelt hatte –, dann kann es gar nicht stimmen, dass jede Hypothek, die in den vergangenen Jahren von HBOS verkauft wurde, ein Blindgänger war, der sein Gift über die gesamte Bilanzaufstellung des Unternehmens versprühte. Das widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Es trifft wahrscheinlich viel eher zu, dass ein großer Teil der Hypothekendarlehen durchaus rentabel ist, vielleicht sogar der überwiegendeen berwie Teil, zu dem womöglich auch zahlreiche bedenkliche Hypotheken gehören, die gerade eben erst vergeben wurden. Die Häuser der Leute mögen nicht

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