Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Dollar Meltdown erklärte, hat eine Kreditblase ihre ganz eigenen Gesetze: »Wir sind daran gewöhnt, Blasen und Crashs mit ganz bestimmten Märkten zu verbinden – wie etwa Risikoanleihen, gewerblichen Immobilien oder auch High-Tech-Aktien. Überteuerte Vermögenswerte ähneln giftigen Pilzen. Man isst sie, wird krank und lernt dadurch,ihnen in Zukunft aus dem Weg zu gehen. Eine Kreditblase ist da ganz anders. Kredite sind die Luft, die der Finanzmarkt zum Atmenbraucht, und wenn diese Luft vergiftet ist, kann man sich nirgends mehr verstecken.« 11
Die Banken würden am liebsten tun, was die meisten Menschen in einer solchen Lage tun würden. Und tatsächlich haben viele Leute, zu denen ich selbst auch gehöre, genau das während früherer Krisen im Immobiliengeschäft gemacht: Wenn so etwas geschieht, dann wartet man einfach ab. Manche von uns befinden sich vielleicht in dieser gefürchteten Lage, wie ich sie oben beschrieben habe, und sehen sich einem »negativen Eigenkapital« gegenüber. Man kann dann verkaufen und einen Verlust erleiden, falls man sich das leisten kann – oder man harrt einfach aus. Man lebt weiter wie zuvor, wartet darauf, dass sich die Preise wieder erholen, aber auch wenn das nicht passiert, haben wir doch immer noch ein Dach über dem Kopf. Genau das würden die Banken gern mit ihren toxischen Preisen tun: einfach warten, bis sie ganz von allein aufhören, toxisch zu sein. Wären sie gezwungen, ihre Aktiva jetzt sofort zu bewerten, den Preis zu nennen, den sie heute dafür erzielen würden – eine Praxis, die man »mark to market« nennt, oder auch Neubewertungsprozess, und die theoretisch bei den meisten Aktiva durchgeführt werden sollte –, müssten einige von ihnen Insolvenz anmelden. Weil die gegenwärtigen Werteinschätzungen ihre Bilanzaufstellung unwiederbringlich in Schutt und Asche legen würden, ziehen sie es im Bedarfsfall vor, diese Einschätzung nicht zu akzeptieren.
Das Problem besteht darin, dass eine Bank keine Privatperson ist. Wenn Banken tatenlos dasäßen und darauf warten würden, dass die Preise sich erholen, dann käme die Wirtschaft zum Stillstand. Der Geldfluss würde versiegen, und die Rezession wäre noch schlimmer, als sie es ohnehin schon mit Sicherheit sein wird. Das liegt daran, dass in einer Situation, in der die Banken eigentlich insolvent sind und trotzdem weiterim Geschäft bleiben, sogenannte Zombiebanken entstehen. Eine Zombiebank ist ein Unternehmen, das im Grunde genommen tot – also insolvent – ist, aber eine schauerliche Art von Pseudo-Dasein führt, weil ihm erlaubt wurde (für gewöhnlichvon einer übertrieben nachsichtigen Regierung), weiter Handel zu treiben. Zombiebanken sind keineswegs ein hypothetisches Phänomen. Genau solche, durch einn. e, durce viel zu kuschelige Beziehung zwischen Regierung und Finanzinstituten geschaffenen Zombiebanken waren daran schuld, dass sich die japanische Wirtschaft seit 1989 von einem Weltwunder in einen komatösen Zaungast des globalen Wirtschaftswachstums verwandelt hat. Die Wirtschaft kann sich erst dann erholen, wenn diese Zombies vernichtet werden. Der Westen war gegenüber den Japanern während ihrer Konjunkturschwäche sehr freigebig mit brutal offenen Ratschlägen: Wir forderten sie auf, rasch zu handeln, die Sache endlich hinter sich zu bringen und die Zombies zu killen. Nun, da uns die Kreditkrise überrollt hat, sind wir, wie sich herausgestellt hat, noch viel viel langsamer, wenn es gilt, unserem eigenen Rat zu folgen. Sogar Larry Summers, damals ClintonsFinanzminister und einer der eifrigsten Kritiker und Mahner der Japaner, musste das zugeben: »Es ist viel leichter, radikale Lösungen zu vertreten, wenn man viele tausend Meilen entfernt ist, als wenn es um das eigene Land geht.« 12 Man schaue sich nur an, wie festgefahren der Karren im europäischen Bankensystem seit der Kreditkrise ist. Das ist ein eindringlicher Beleg für diese These. Als Folge der Krise kauften die europäischen Banken in rauhen Mengen Staatsanleihen, in dem Glauben, es handele sich hier um einen sicheren Hafen. Sie versuchten so, den Grad ihres Risikohandels und ihre Leverage Ratio zu senken. Und dann geschah etwas bitter Ironisches: Die auf dem gesamten Kontinent um sich greifende Konjunkturschwäche ließ es allmählich so aussehen, als könnten die Staaten ihre Schulden nicht zurückbezahlen und als würden daher die Leute, denen diese Schuldscheine gehörten, viel Geld verlieren. Bei diesen Schuldnern handelte
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