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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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diesen Scheck in Ihrer Bank einzahlen, dann wird die Summe morgen von meinem Konto abgebucht, aber erst drei Tage später Ihrem Konto gutgeschrieben – wenn Sie Glück haben; manchmal kann es bis zu sieben Tage dauern. Das ist viel zu langsam. Doch keine Sorge, denn ein von Gordon Brown in Auftrag gegebener Regierungsbericht hat scharfe Kritik an dem Zahlungssystem geübt, woraufhin man Abhilfe versprach. Toll! Aber nein, Moment! Die Veröffentlichung des Berichts und das Versprechen, entschieden gegen die Missstände vorzugehen, fielen in das Jahr 2000. Eine neue Gesetzgebung und die entsprechende Aufsichtsbehörde, um das Gesetz auch durchzusetzen, sind wiederholt angekündigt worden, aber das Problem lag immer wieder darin, dass sich die Finanzindustrie nur sehr zögerlich, wenn überhaupt bewegte. Denn diese Änderung hat nicht den geringsten Vorteil für die Banken – nur für ihre Kunden. Die Banken sind nicht gerade begeistert, insbesondere weil der Profit, den es hier zu holen gibt, allein auf Seiten der Kunden entstünde und weil bei diesem Vorgang keine weiteren Einnahmen möglich sind. Im Mai 2008 sollte für die Kunden endlich eine Veränderung eintreten. Was mich persönlich betrifft, so kann ich nur sagen, dass sich rein gar nichts verändert hat. Zehn Jahre nachdem man den Scheckabrechnungsverkehr zum nationalen Skandal erklärt hat, dauert es immer noch drei Tage, bis mir ein Scheck, der auf mein Konto eingezahlt wurde, auch tatsächlich gutgeschrieben wird. So sieht die Realität im täglichen Umgang der Banken mit ihren Kunden aus. 8
    Aber wenn man sich die Bilanzaufstellung der Bank anschaut und die endlosen Seiten von Unternehmensberichten und Fußnoten,rt,d Fußn die sie begleiten, dann sieht die Geschichteschon ganz anders aus. Hier haben die Kontoinhaber alle Macht der Welt. Ein hoher Einlagenanteil bedeutet eine hohe Summe auf Seiten der Passiva; und hohe Summen auf der Sollseite zwingen eine Bank, auch auf der Habenseite eine hohe Summe zu erwirtschaften. Weil Banken hauptsächlich davon leben, Geld zu verleihen, erreichen sie den hohen Anteil an Aktiva dadurch, dass sie zahlreiche Kredite vergeben. Das bedeutet, dass die Vermögenswerte einer Bank hauptsächlich aus den Schulden anderer Leute bestehen. Das ist eine weitere Besonderheit jeder Bankenbilanz: Die wichtigsten Posten auf der Seite der Aktiva sind die Verbindlichkeiten anderer Leute, wobei das Wort »Verbindlichkeiten« einfach nur ein anderer Ausdruck für Passiva ist.
    Die Bilanzaufstellungen anderer Unternehmen sehen ganz anders aus. Zunächst einmal sind sie sehr viel kleiner – nur die Aktiva und Passiva von Banken haben einen derart aufgeblähten Umfang. Das ist durchaus logisch, denn das Geschäftsmodell von Banken besteht ja gerade darin, dass viel Geld hereinkommt und auf Konten lagert, was wiederum dadurch ausgeglichen wird, dass auch viele Kredite vergeben werden. Dadurch entstehen in der Bilanz auf der Seite der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten unweigerlich große Summen, denen ein relativ geringes Eigenkapital gegenübersteht. Bei einer Firma, die auf schnellerem Wege Umsatz macht, sieht das ganz anders aus. Apple Computer zum Beispiel hatte im Jahr 2008 Aktiva im Wert von 39,5 Milliarden Dollar, 18,5 Milliarden Dollar auf der Seite der Passiva und ein Eigenkapital von 21 Milliarden. Bei der Royal Bank of Scotland waren es hingegen 1900 Milliarden Pfund auf der Haben- und 1809 Milliarden Pfund auf der Sollseite, bei einem Eigenkapital von 91 Milliarden. Die Aktiva der Firma Apple betragen 1 / 50 dessen, was bei der Royal Bank zu Buche steht, aber ihr Eigenkapital ist größer als ihre Verbindlichkeiten. In dieser Hinsicht istApple ein verlässlicheres Unternehmen als die RBS, denn es hat ein wesentlich größeres Sicherheitspolster und kann sich daher eine größere Fehlerrate leisten. Das könnte jedoch auch daranliegen, dass Apple von Natur aus ein riskanteres Geschäft betreibt. Denn man sollte meinen, das Bankwesen wäre eigentlich eine viel solidere Branche als das Geschäft mit Computern, technischen Geräten und Musik. Weil aber Banken immer so riesige Bilanzaufstellungen haben, denen eine relativ geringe Eigenkapitalquote gegenübersteht, haben sie die Tendenz, ein wenig riskanter ausgelegt zu sein, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Das ist einer der zahlreichen Gründe, warum Banken immer verzweifelt bemüht sind, in ihrem Auftreten gegenüber der Öffentlichkeit so imposant und

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