Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
Vom Netzwerk:
»Was ist der Unterschied zwischen Irland und Island? Sechs Monate und ein Buchstabe.« Etwas mehr als einen Monat später wurde eine Statistik veröffentlicht, aus der hervorging, dass die Wirtschaft im zurückliegenden Jahr um 25,5 Prozent zurückgegangen war. Die Iren waren mit zwei der übelsten Dinge konfrontiert, die einem Land im gegenwärtigen Wirtschaftsklima widerfahren konnten: einer Immobilien- und einer Kreditblase, und das direkt im Anschluss an einen jahrzehntelangen Czehen WiWirtschaftsboom.
    Heute steckt das Land in einer der schlimmsten Rezessionen, die es in der Neuzeit je in einem Industrieland gab, und sie wird womöglich noch schlimmer werden. Wenn 25 Prozent des Bruttoinlandprodukts und 13 Prozent der Arbeitsplätze vom Wohnungsbau abhängen und dieser dann vollkommen in sich zusammenbricht, dann ist es wohl an der Zeit, sich eine andere Metapher zu suchen: die keltische lahme Ente vielleicht? Der keltische Zeppelin? Der keltische Zombie? Der keltische Autounfall? Das untrinkbare Wasser der Stadt Galway war ein klassischer Fall von »Hier stinkt etwas zum Himmel«.
    In seinem Buch Boomerang hat Michael Lewis ein paar schöne Beispiele gesammelt:
die Einnahmen der griechischen Eisenbahn belaufen sich umgerechnet auf 100 Millionen Dollar, während sie gleichzeitig 400 Millionen Dollar an Gehaltskosten und weitere 300 Millionen Dollar an anderen Kosten aufbringen muss;
manche kalifornischen Städte geben 80 Prozent ihres Haushalts für die Renten und Gehälter von Angestellten der öffentlichen Sicherheitsbehörden aus;
zwischen 2003 und 2007 schaffte es die isländische Börse, ihren Wert zu verneunfachen;
oder die Geschichte einer irischen Mülldeponie, für die ein Bauunternehmer im Jahr 2006 412 Millionen Euro bezahlte und die nun wegen Umweltsanierungskosten auf einen negativen Wert von minus 30 Millionen Euro geschätzt wird.
    Es ist schon sehr auffällig, wie oft die Leute, wenn sie solche Phänomene beschreiben, davon sprechen, dass hier etwas zum Himmel stinkt.
    Genauso drückte sich mir gegenüber auch ein Mann aus, der eine Einladung von Bernard Madoff ausschlug, sich an dessen Hedgefonds zu beteiligen. Dieser Mann arbeitete damals für eine große Investmentbank, die ihren Kunden anbot, an einem Dachfonds-Service teilzunehmen, also einem Fonds, der sich aus Investitionen in mehrere unterschiedliche Hedgefondszusammensetzte. Für besagten Banker hätte dieses Angebot eigentlich ein gefundenes Fressen sein müssen, denn er hatte zahlreiche Klienten, die regelrecht danach lechzten, in Madoffs Fonds zu investieren. Seine Hedgefonds waren damals berüchtigt für ihre Beständigkeit. Man konnte sich bei ihnen darauf verlassen, in allen Wetterlagen und zu jeder Zeit stabile 10−12 Prozent Rendite einzufahren, ein Kapitalfluss, der wiederum stabile Provisionseinnahmen garantierte. Auch war bekannt, dass Madoff sehr wählerisch war, wenn es um neue Kunden ging. (Heute wissen wir, warum: Er wollte keine Investoren, die möglicherweise die falschen Fragen stellten.) Daher gab es an der Sache nichts, was einem hätte missfallen können, außer dass sie dem besagten Banker eben nicht gefiel. Die Beständigkeit, mit der Madoff Renditen einfuhr, kam ihm irgendwie seltsam vor. Also schlug er das Angebot aus. Diese Entscheidung kostete ihn damals in seiner Bank eine Menge Einfluss und Ansehen, bis zu dem Tag, an dem man Madoff als Schwindler entlarvte (und der Banker, der sein Angebot abgelehnt hatte, befördert wurde). Und warum hatte er abgelehnt? »Weil die Sache irgendwie zum Himmel stank.«
    Komische oder üble Gerüche können in verschiedenster Gestalt auftreten. Die Kreditkrise zum Beispiel wurde von einer ganzen Palette übler Ausdünstungen begleitet. Meistens ging es dabei jedoch nicht um Betrug. Obwohl, einem CDO-Investor, der einmal gründlich untersucht hätte, wie damals Hypotheken vergeben wurden, wäre wohl vor lauter Betrugsgestank speiübel geworden. Hauptsächlich aber hatten diese üblen Gerüche mit Dingen zu tun, die einfach zu schön waren, um wahr zu sein. Das ist eine äußerst wichtige Kategorie von üblen Gerüchen, und in der Geschichte der Kreditkrise spielt sie eine maßgebliche Rol CgeDingen le. Es dreht sich dabei oft genug um vorsätzlich beschönigendes Denken, oder vielleicht auch einfach nur darum, dass man die Fakten ignoriert,die doch eigentlich ins Auge springen. Oder, um sich einer Metapher zu bedienen, die ich einmal von dem britischen Finanzminister Alistair

Weitere Kostenlose Bücher