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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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erst dann, wenn die Bank das Schild mit der Ankündigung zur Zwangsvollstreckung an den Gartenzaun nagelt – und schon hat sie ihr Haus verloren. Von juristischem Interesse ist nun die Frage, mit wie viel Sorgfalt die Bank den Strohmann hätte überprüfen müssen, an den sie den Kredit vergeben hat. Zu welchem Zeitpunkt hätte sie ein gewisses Interesse daran zeigen müssen, ob es sich hier möglicherweise um einen Betrug handelte? Und ab wann hätte sie sich schließlich dazu aufraffen müssen,auch ein wenig das Interesse der Hauseigentümerin zu vertreten?
    Ich schreibe »sie« und »ihre«, weil es in dem Testfall, den Robinson im Augenblick bearbeitet, eine Frau namens Harriette Julian war, die ihr Haus verlor. Sie hatte sich mit einer örtlichen Firma auf einen dieser Rettungsdeals eingelassen. Die Besitzurkunde ihres Hauses überschrieb sie an eine gewisse Lashawn Wilson – die bei Vertragsunterzeichnung nicht anwesend war und nur durch ihre angebliche Unterschrift auf einem Stück Papier vertreten wurde. Ms Julian sollte ihre Kreditwürdigkeit wiederherstellen und dann, nach Ablauf einer gewissen Zeit, ihr Haus zurückkaufen. Allen war dabei klar, dass sich Ms Julian im Prozess der Zwangsvollstreckung befand. Ms Wilson kaufte das Haus für 482 000 Dollar, hatte selbst aber keinerlei Einkommen, nicht etwa nur ein geringes Einkommen, nein, überhaupt kein Einkommen. Das war ein typisches Merkmal eines solchen Betrugs. Folgende Fakten hat die Bank also ignoriert: 1. Auf Ms Wilsons HUD-I (ein Standardformular für Transaktionsgebühren) stand keine Adresse. 2. Es war bekannt, dass überall Fälle von Zwangsvollstreckungsbetrug auftraten, und man hatte in Maryland sogar ein neues Gesetz erlassen, den »Protection of Homeowners in Foreclosure Act« (Gesetz zum Schutz von Hauseigentümernim Prozess der Zwangsvollstreckung), der genau diese Art von Schwindel verhindern sollte. 3. Harriette Julian zog nicht aus dem Haus aus, das sie auf jemand anderen überschrieben hatte – noch ein typisches Anzeichen für einen Zwangsvollstreckungsbetrug. 4. Es gingen keinerlei Rückzahlungen für die Hypothek ein, keine einzige, zu keinem Zeitpunkt – ein weiteres typisches Merkmal. 5. Während all dies geschah, teilten Harriette Julian und Lashawn Wilson der Bank mit, sie seien Opfer eines Betrugs geworden – doch die Bank ignorierte das völlig und schritt nun, nachdem sie selbst im Vorfeld den fraglichen Kredit vergeben hatte – zur Zwangsvollstreckung. Das Bündnis für Zivilrecht und Philip Robinson versuchen nun nachzuweisen, dass die Bank an einem gewissenPunkt dieses Vorgangs die Pflicht gehabt hätte, ihre Haltung des »Ist-uns-doch-scheißegal« aufzugeben. Und gleichzeitig wollen sie den Rechtsanwälten zeigen, wie sie mit solchen Prozessen Geld verdienen können. Sobald es für die Bank dann ans Eingemachte geht, wird ihr die Sache ganz schnell eben nicht mehr scheißegal sein.
    »Die meisten meiner Klienten, die sich im Prozess der Zwangsvollstreckung befinden, sind hart arbeitende Menschen«, erzählte mir Robinson. »Sie haben zwar ein Einkommen, aber sie hätten sich den Kredit eigentlich von Anfang an nicht leisten können. Erinnern Sie sich an den Film Ist das Leben nicht schön? Nun, so läuft es schon lange nicht mehr. Die Banken interessieren sich einen Scheißdreck für diese Leute. Sonst würden sie ihnen keinutze ihnenen Kredit über 300 000 Dollar gewähren, obwohl sie keinen Job haben und es auf keinen Fall schaffen können, das Geld zurückzuzahlen.«
    Von 2005 an war ein Großteil der Kreditvergabe in der gesamten Branche vollkommen verantwortungslos und ein gewisser Teil sogar ausgesprochen kriminell. Bitner schätzt, dass zu der Zeit, als er aus dem Geschäft ausstieg, 70 Prozent der Hypothekenanträge fehlerhaft oder betrügerisch waren; und das war sogar noch bevor die schlimmsten Exzesse auftraten, die Fälle von vorsätzlichem Betrug, die sehr weit verbreitet waren, angefangen bei Lügengeschichten über das eigene Arbeitsverhältnis oder Einkommen. Eine Studie aus dem Jahr 2007 stellte fest, dass 2006 ungefähr 60 Prozent der Antragsteller für Subprime-Hypotheken die Bank über ihr Einkommen belogen. Sie gaben es um mehr als 50 Prozent höher an, als es tatsächlich war. Also mehr als die Hälfte aller Antragsteller log, indem sie die Höhe ihres Einkommens um mehr als die Hälfte übertrieb. 23 Zu diesem Zeitpunkt waren über 50 Prozent aller Anträge entweder »piggypack loans«

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