Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
Vom Netzwerk:
Darling gehört habe: Das Ganze ist ein bisschen so,als wollte man die Trockenfäule damit bekämpfen, dass man seine Blumen in den Hausflur stellt.
    Es gibt Leute, deren Aufgabe es ist, diese üblen Gerüche aufzuspüren, darüber nachzudenken, was sie zu bedeuten haben, und sich zu überlegen, wie man sie bekämpfen kann. Diese Leute sind die Zentralbanker. In Norman Mailers Roman Das Epos der geheimen Mächte schwärmt der Erzähler in einer Passage davon, wie sehr doch die CIA der »Verstand Amerikas« sei. Zentralbanken sind da ähnlich. Es ist ihre Aufgabe, alles zu bemerken und über alles nachzudenken – zumindest über alles mit wirtschaftlichem Hintergrund – und darauf dann mit einem ganz bestimmten Werkzeug und auch nur mit diesem einen zu reagieren: nämlich dem Leitzins. 23
    Der Leitzins legt fest, oder beeinflusst zumindest stark, zu welchen Bedingungen Kredite vergeben oder aufgenommen werden, wie sich die Konjunktur eines Landes entwickelt, die Höhe der Inflation, der Arbeitslosigkeit, des Wirtschaftswachstums, die Entwicklung der Devisenkurse und das ganze übrige Brimborium. Beim Leitzins handelt es sich allerdings um ein ziemlich grobes Werkzeug: Es ist ganz so, als säßen die Zentralbanker an einem Schaltpult mit lauter blinkenden Lämpchen, digitalen Kontrollanzeigen und Monitoren mit Warnmeldungen, die alle eine überwältigende Datenmenge ausspucken, und als könnten sie darauf allein durch das Umlegeneines einzelnen Hebels reagieren, vor oder zurück, ohne irgendwelche Seitwärtsbewegungen, und das möglichst noch um jeweils nur ein ganz winziges Stück.
    Das ist die Aufgabe der Zentralbanken. Wie ich oben schon ausgeführt habe, war der mächtigste Zentralbanker im Vorfeld der Kreditkrise Alan Greenspan, und ich habe auch die (von Ayn Rands Objektivismus untermauerte) dogmatische Laissez-faire-Ideologie beschrieben, für die Greenspan berüchtigt war. Aber noch nicht erwähnt habe ich, dass er sich vor allem auch durch sein außergewöhnliches Gespür für die Bedeutung von Details auszeichnete und dadurch, wie viel Aufmerksamkeit er ihnen schenkte. Während seiner Amtszeit als Vorsitzender der US-Notenbank war Greenspan für die Schnelligkeit berühmt, mit der er in der Lage war, sich riesige Mengen von Datenmaterial einzuverleiben. Aus diesem Material bezog er dann seine Einschätzung, welche Art von Zinsentwicklung wohl wünschenswert wäre.
    Was ich bisher über ihn geschrieben habe, mag den Eindruck erwecken, als sei er ein Mann des abstrakten Denkens. Doch man muss betonen, dass sein Hauptaugenmerk immer den praktischen Details einer Sache galt und dem, was er aus den Fakten zu lesen vermochte. Im Grunde genommen drehte sich bei Greenspan alles um die Frage, ob eine Sache nun zum Himmel stank oder nicht.
    Und was die konkreten Risiken der Immobilienblase anging, so war sich Greenspan der Gefahren sehr wohl bewusst. Oder zumindest traf das früher einmal zu. Als er sich 1995 mit amerikanischen Immobilienmaklern unterhielt, sagte er: »Man kann die Bedeutung der Preistrends bei Eigenheimen auf die Psyche und das Verhalten der Konsumenten kaum hoch genug veranschlagen … Die Konsumenten betrachten ihren Hausbesitz als Sicherheitspolster gegen die Möglichkeit zukünftiger schwerer Zeiten.« 36 Das klingt ziemlich eindeutig: Die Bedeutung der Immobilienpreise »kann man kaum hoch genug veranschlagen«.
    lindth="1em"> Das wirft jedoch die Frage auf, warum er sie so lange undso hartnäckig ignoriert hat. Es war ja gerade die Preisblase im Eigenheimsektor, die dazu führte, dass wirklich jeder auf den Immobilienmarkt drängte und dann sein letztes Hemd verlor, als die Blase platzte. Diese Blase entstand aufgrund der niedrigen Zinsen, und der Mann, der für diese Zinsen verantwortlich war, hieß Alan Greenspan. Ich habe die zeitliche Abfolge bereits beschrieben: Erst kamen die Jahre des geradezu märchenhaften Wirtschaftswachstums und der »Great Moderation«, wo die Konjunktur weder zu heiß lief noch zu kalt blieb und die Zinsen sich nie mehr als 0,25 Prozent nach oben oder unten bewegten.
    Während dieser Zeit wurde an den Märkten der Begriff »the Greenspan put« geprägt. Mit diesem Ausdruck umschrieb man die offenkundige Entschlossenheit des US-Notenbank-Vorsitzenden, die Aktienkurse um jeden Preis zu schützen. Ein »put« ist eine Aktien-Verkaufsoption für den Fall eines Preissturzes. Der Begriff »Greenspan put« deutete also an, dass Greenspan immer zur Stelle wäre, falls die

Weitere Kostenlose Bücher