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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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Jahr auf diesem Niveau, selbst dann noch, als die Wirtschaft um ganze 7,5 Prozent pro Jahr zu wachsen begann. 38 Ist es da verwunderlich, dass sich eine Blase bildete? Und aus Gründen, die ich oben schon genannt habe, war es keine Blase auf dem Börsen- oder Anleihenmarkt, sondern eine Preisblase bei Vermögenswerten.
    Die Ökonomen nannten es »Vermögenspreisblase«, aber eigentlich war das nur ein anderes Wort für Immobilienblase. Im Vorfeld ihrer Entstehung waren die Zinsen niedrig und Kredite waren billig zu haben, so dass die Leute zu sehr günstigen Bedingungen Geld leihen und es in ein Eigenheim stecken konnten. Oder sie benutzten ihr Eigenheim, um Geld daraus zu ziehen, indem sie – auf die Prognose einer Wertsteigerung vertrauend – neue Hypotheken auf ihre Häuser aufnahmenund diese wie überdimensionale Geldautomaten behandelten. Dann gingen sie hin und gaben das Geld für irgendetwas anderes aus, ganz im Einklang mit der Haltung, die Greenspan 1995 beschrieben hatte. Im Grunde genommen läuft das Ganze darauf hinaus, dass die Kreditblase, die Schuldenblase, die Vermögenspreisblase und die Immobilienblase ein und dasselbe waren.
    Aber in seiner Analyse der Gründe für die Krise, die ich am Ende des letzten Kapitels zitiert habe, erwähnt Greenspan die niedrigen Zinsen und die Immobilienblase mit keinem Wort. In sämtlichen Selbstrechtfertigungen, die er seit Beginn der Krise von sich gab, sucht man vergeblich nach einem Hinweis auf diese Faktoren, die doch ursächlich zu dem Ganzen beigetragen haben.
    Wenn er einen Schuldigen für die Krise nennt, dann ist das meistens China. Sein Argument dabei lautet, die Zinsen seien nicht etwa deshalb so niedrig geblieben, weil er (und andere Zentralbanker) sie so niedrig hielten, sondern weil die Chinesen so viele US-Schatzwechsel kauften, dass die Preise unmöglich steigen konnten. Ich denke, letztlich wird die Geschichte wohl anders urteilen und diese Ansicht größtenteils widerlegen. Manwird konstatieren, dass di Ceretlie Schuld an der Vermögenspreisblase zu 90 Prozent bei den Zentralbanken lag, weil sie die Gefahren niedriger Zinssätze viel zu lange ignorierten.
    Das war der erste Moment, in dem Greenspan eine entscheidende Sache unbeachtet ließ, die nicht so roch, wie sie hätte riechen sollen, aber damit stand er durchaus nicht allein. Man kann die chinesischen Spareinlagen nicht für die Zinsraten und Vermögenspreisblasen in der EU oder in Großbritannien verantwortlich machen, denn sie konzentrierten sich fast ausschließlich auf die USA.
    Niall Ferguson hat dieser wirtschaftlichen Hybridbildung den Namen »Chimerika« gegeben. 39 Ich glaube, es gibt in der Geschichte bisher kein ähnliches Beispiel für ein solch transnationales ökonomisches Gebilde, und ich muss ehrlich sagen, dass mir bei der Sache nicht ganz wohl ist. Irgendwie wirktdiese verdrehte, transpazifische Balance aus Sparen und Ausgeben zutiefst widernatürlich. Ich vermute, dass die Chinesen am liebsten einen nicht unerheblichen Teil dieser Schatzwechsel loswürden, damit sie ihre Spareinlagen auch auf andere Bereiche ausdehnen können. Aber das können sie nicht, denn es würde mit Sicherheit eine gegenseitige wirtschaftliche Vernichtung nach sich ziehen: Der Dollar würde ins Bodenlose stürzen, was wiederum den amerikanischen Konsum zum Stillstand brächte und die chinesischen Spareinlagen vollkommen wertlos machen würde. Die Konsequenzen kämen dann schon den Folgen eines Weltkriegs gleich.
    Aber in der EU waren die Verhältnisse andere, weshalb man die Sache nicht den Chinesen anlasten konnte. Und Greenspan wies in seiner Aussage ja auch darauf hin, dass es in der EU schon seit eh und je niedrigere Zinsen gab. Auch hier gab es eine Blase von kolossalem Ausmaß, auch wenn sie hauptsächlich auf einzelne Länder wie Portugal, Irland, Griechenland und Spanien beschränkt war – oft auch als die »Peripherie« der Eurozone bezeichnet, obwohl sich natürlich kein Land selbst als Peripherie empfindet. Dennoch ist dieser Begriff wohl immer noch besser als das unschöne Akronym »PIGS« (Schweine). Und wäre es auch noch so wunderbar, wenn wir das Ganze einfach den Chinesen in die Schuhe schieben könnten – es funktioniert einfach nicht.
    Und was Großbritannien anbelangt, so waren unsere Zinsen während der fraglichen Jahre höher als in den USA und der EU. Und dennoch hatten wir ein wahres Prachtexemplar von einer Blase. Was hätte die britische Regierung oder die Bank of England

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