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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
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Gleichheit zu erlangen, hat die sexuelle Revolution die Ethik im großen und ganzen aus dem Reich der Sexualität herausgehalten. Letztlich vertrete ich in diesem Buch die These, daß das Projekt des Selbstausdrucks durch Sexualität nicht von der Frage unserer Pflichten gegenüber anderen und ihren Gefühlen getrennt werden kann. Wir sollten also nicht nur damit aufhören, die männliche Psyche als grundsätzlich schwach oder lieblos anzusehen, sondern auch offen dafür sein, das Modell der sexuellen Akkumulation auf den Prüfstand zu stellen, das die moderne Männlichkeit vorangetrieben hat und das von Frauen zu begeistert befürwortet und imitiert worden ist. Und wir sollten alternative Modelle der Liebe formulieren, Modelle, in denen Männlichkeit und leidenschaftliche Liebe nicht nur keine Gegensätze sind, sondern vielleicht sogar ein Wort für dieselbe Sache. Statt den Männern ihre emotionale Unfähigkeit einzuhämmern, sollten wir Modelle emotionaler Männlichkeit heraufbeschwören, die nicht auf sexuellem Kapital beruhen. Eine solche kulturelle Beschwörung könnte uns tatsächlich dem Ziel des Fe 441 minismus näher bringen, das seit eh und je darin bestanden hat, ethische und emotionale Modelle zu entwickeln, die der sozialen Erfahrung von Frauen gerecht werden. Denn losgelöst von ethischem Verhalten ist die Sexualität, wie wir sie in den letzten dreißig Jahren kennengelernt haben, zur Arena eines nackten Kampfes verkommen, der viele Männer und besonders Frauen verbittert und erschöpft zurückgelassen hat.
    Es ist also ein Paradox, das dieses Buch zu erklären versucht hat: Einerseits sind Emotionalität, Liebe und Romantik merklich erkaltet. Auf die meisten Männer würde Leidenschaft heute leicht lächerlich wirken, und die meisten Frauen würden spöttisch oder sogar leicht abgestoßen vor der leidenschaftlichen Rhetorik zurückscheuen, von der die Liebesbriefe des 18. und 19. Jahrhunderts künden. Andererseits ist die Liebe in so vielen Hinsichten, wie ich zu zeigen versucht habe, unverzichtbarer für die Bestimmung unseres Selbstwerts als jemals zuvor. Da unsere Kultur so gerne mit dem Finger auf unsere Psychen zeigt, scheint es an unserer Unfähigkeit liegen, wenn eine Liebesgeschichte scheitert, und aus diesem Grund bedrohen Liebesdramen die Grundlagen des Selbst – weshalb die moderne Liebe nach Psychotherapien, endlosen Gesprächen mit Freunden, Beratung und Zuspruch verlangt. Liebe ist mehr als ein kulturelles Ideal, sie ist eine soziale Grundlage des Selbst, und doch sind die kulturellen Ressourcen, die sie zu einer Grundlage des Selbst machen, aufgebraucht. Gerade aus diesem Grund sind wir wieder, und zwar mehr denn je, auf Ethik in den sexuellen und emotionalen Verhältnissen angewiesen – eben weil diese Verhältnisse für die Entwicklung von Selbstwert und Selbstachtung heute so entscheidend sind.
    Dieses Buch ist also eine ernüchterte Bejahung der Moderne im Medium der Liebe. Es erkennt die Notwendigkeit der Werte Freiheit, Vernunft, Gleichheit und Autonomie an, sieht sich aber gezwungen, eine Bilanz der immensen 442 Schwierigkeiten zu ziehen, die die zentrale kulturelle Matrix der Moderne aufgeworfen hat. Wie jedem Erwachen nach einem Rausch geht einer ernüchterten Befürwortung der Moderne die Glut der Utopien und Denunziationen ab. Aber sie bietet die leise Hoffnung, daß wir diese Zeiten mit geistiger Klarheit und Selbsterkenntnis besser durchleben und vielleicht sogar neue Formen leidenschaftlicher Liebe wiedererfinden können.
     
    * Das Motto stammt aus Emily Dickinson, The Poems of Emily Dickinson. Reading Edition , hg. von R. W. Franklin, Cambridge (Mass.) u. London 1999, S. 411.
    Kann ich ein Herz zu brechen hindern,   /   Dann leb ich nicht vergebens;   /   Kann ich den Schmerz nur eines Lebens mindern,   /   Ein Leid nur lindern,   /   Eine Wanderdrossel schwach   /   Zurück ins Nest nur heben,   /   Dann leb ich nicht vergebens.

443 Danksagung
    In mehr als einer Hinsicht habe ich vor vielen Jahren, noch als Jugendliche, in Gedanken damit begonnen, dieses Buch zu schreiben. Hunderte, wenn nicht Tausende Gespräche mit engen Freunden und Unbekannten haben mich stutzig und fassungslos über das Chaos gemacht, von dem die zeitgenössischen romantischen und sexuellen Beziehungen erfüllt sind. Wie kommt es, daß die Frauen in den vier Ländern, in denen ich als Erwachsene gelebt habe (Frankreich, den Vereinigten Staaten, Israel und Deutschland), trotz ihrer

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