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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
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Männer Sexualität als Status ein: Weil die Normen der Sexyness Jugendlichkeit prämieren und weil die Altersdiskriminierung Männern Vorteile verschafft, ist die Auswahl, aus der Männer wählen können, wesentlich größer als die der Frauen. Heterosexuelle Männer und Frauen aus der Mittelschicht gehen also auf unterschiedliche Weise an das sexuelle Feld heran: Weil sie für ihr wirtschaftliches Überleben unmittelbarer vom Markt als von einer Ehe abhängen, weil sie nicht – oder nur in geringerem Maß – durch das Gebot der romantischen Anerkennung gebunden sind, weil sie Sexualität als Status einsetzen und ihre Autonomie unter Beweis stellen, neigen Männer zu einer kumulativen und distanzierten Form von Sexualität. Frauen hingegen sind in widersprüchlicheren Strategien von Anhänglichkeit und Distanzierung gefangen. In der emotio 434 nalen Distanziertheit und Bindungsangst der Männer spiegelt sich somit ihre Position auf sexuellen Feldern wider, die aus einer neuen Ökologie der Wahl hervorgegangen ist.
    Mit dieser Entwicklung sind neue Ungleichheiten verbunden, die sich in neuen Formen von Anerkennung niederschlagen: Wie auf allen sozialen Feldern bedeutet Erfolg auch auf dem sexuellen Feld Statusgewinne und eine Steigerung des Selbstwerts. Attraktivität und sexuelles Kapital werden nunmehr dazu eingesetzt, um soziale Geltung zu erlangen und zu signalisieren; sie sind somit entscheidend für Anerkennungsprozesse. Das heißt auch, daß es eine Gefahr für das eigene Selbstwertgefühl und die eigene Identität sein kann, auf den entsprechenden Feldern nicht zu reüssieren. Die Liebe wird mithin zu einem Aspekt der Dynamik moralischer Ungleichheiten, das heißt von Ungleichheiten des Selbstwertgefühls. Diese Ungleichheiten trennen Männer und Frauen – wobei das Feld von Männern beherrscht wird   –, sie trennen aber ebenso die erfolgreicheren von den weniger erfolgreichen Männern und Frauen. Wir haben es also mit einer Ungleichheit sowohl zwischen den Geschlechtern als auch innerhalb einer geschlechtlichen Gruppe zu tun. Hinzu kommt: Weil die Moderne eine Privatsphäre hervorgebracht hat, die die weibliche Identität einerseits prägte und andererseits von der Öffentlichkeit abkoppelte, ist die Liebe so entscheidend für das Selbstwertgefühl der Frauen. Unter den Bedingungen eines freien Marktes brauchen Frauen insofern mehr Liebe zu ihrer Selbstbestätigung, und sie wollen sich stärker und früher binden. Die Transformation der Ökologie und Architektur der Wahl sowie der Zusammenhang zwischen Liebe und sozialer Geltung sprechen dafür, daß die Geschlechterungleichheit sich nicht mehr an sozialen, sondern an emotionalen Ungleichheiten festmacht. Die weitverbreitete Literatur zu »Mars« und »Venus« ist nichts weiter als ein Versuch, auf psychologische Begriffe zu bringen, was in Wirklichkeit ein soziologischer Prozeß ist, 435 nämlich die Neuorganisation der Geschlechterunterschiede anhand der Liebe als einer Quelle von Selbstwert für Frauen und als Sexualkapital für Männer.
    Das Erkalten des Begehrens und die Willensschwäche : Ironie, Bindungsangst, Ambivalenz, Enttäuschung – allesamt zentrale Themen dieses Buches und der Liebeserfahrung – sind die vier Hauptelemente dessen, was ich als Entstrukturierung (und Neustrukturierung) des Willens und des Begehrens bezeichne. Wille und Begehren, zuvor auf die Entwicklung fester Bindungen gerichtet, wurden auf die Entwicklung einer coolen Individualität umgepolt. Ironie, Bindungsangst, Ambivalenz und Enttäuschung haben gemeinsam, daß sie die Schwierigkeit zum Ausdruck bringen, im eigenen Begehren das ganze Selbst zu mobilisieren; in ihnen zeigt sich das Beharren auf der autonomen Identität noch in den verborgensten Winkeln der Subjektivität und, allgemeiner, das Erkalten der Leidenschaft. Tatsächlich blieb schon die Fähigkeit, den Prozeß des Begehrens in Gang zu setzen, sich für ein Liebesobjekt zu entscheiden und sich der Kultur der Liebe zu verschreiben, nicht unberührt. Das Begehren selbst hat seine Intensität sowie die Art und Weise, wie es vom Selbst ausgeht, aus folgenden Gründen verändert: (1) Mit einer größeren Auswahl konfrontiert, verlegt sich das Begehren auf hochgradig erkenntnisförmige Formen der Selbstbeobachtung und Selbstprüfung; (2) Vergleiche zwischen verschiedenen Wahlmöglichkeiten dämpfen starke Gefühle; (3) man begehrt nunmehr in einer kulturellen Umwelt, die vom Prozeduralismus beherrscht wird,

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