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Warum macht Sex Spaß?

Warum macht Sex Spaß?

Titel: Warum macht Sex Spaß? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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diese beiden Voraussagen?
     
    Das Überraschende bei derart grundlegenden Annahmen der Anthropologie ist, daß sie kaum überprüft wurden. Vielleicht weniger überraschend ist, daß dann eine Frau – nämlich die Anthropologin Kristen Hawkes von der University of Utah – bei derartigen Untersuchungen eine Vorreiterrolle spielte. Sie stützte sich dabei insbesondere auf quantitative Messungen der Jagdbeute bei den nördlichen Aché, einem Indianerstamm in Paraguay, wo sie zusammen mit Kim Hill, A. Magdalena Hurtado und H. Kaplan arbeitete. Andere Untersuchungen nahm Hawkes beim Volk der Hadza in Tansania zusammen mit Nicholas Blurton Jones und James O’Connell vor. Betrachten wir zunächst einmal die Befunde bei den Aché.
     
    Die nördlichen Aché waren in der Regel reine Jäger und Sammler, und obwohl sie sich seit den siebziger Jahren in Missionssiedlungen niedergelassen haben und Landwirtschaft betreiben, sind sie weiterhin häufig auf Nahrungssuche im Wald. Nach dem bei Menschen üblichen Muster haben sich die Männer darauf spezialisiert, große Tiere wie Nabelschweine und Hirsche zu erlegen, außerdem sammeln sie auch in großen Mengen Honig aus Bienennestern. Die Frauen gewinnen Stärke aus Palmen, sammeln Früchte und Insektenlarven und versorgen die Kinder. Die Jagdbeute der Aché-Männer ist von einem Tag zum andern sehr unterschiedlich: Haben sie ein Nabelschwein erlegt oder ein Bienennest gefunden, bringen sie genug Nahrung für viele Menschen mit, aber in einem Viertel der Jagdzeit kehren sie auch mit leeren Händen zurück. Die Erträge der Frauen dagegen sind vorhersagbar und schwanken von einem Tag zum anderen kaum, denn Palmen gibt es in Hülle und Fülle; wieviel Stärke eine Frau gewinnen kann, hängt vorwiegend davon ab, wieviel Zeit sie darauf verwendet. Eine Frau kann immer damit rechnen, daß sie für sich selbst und ihre Kinder genügend Nahrung hat, aber sie kann nie eine so große Nahrungsquelle auftun, daß es auch für viele andere reicht.
    Das erste überraschende Ergebnis der Untersuchungen von Hawkes und ihren Kollegen betraf den Unterschied zwischen den Erträgen, die Männer und Frauen mit ihrer jeweiligen Strategie erzielten. Die Spitzenleistungen waren bei den Männern natürlich viel höher als bei den Frauen, denn die Beute eines Mannes konnte bis zu 40 000 Kalorien enthalten, wenn er das Glück hatte, ein Nabelschwein zu erlegen. Der Durchschnittsertrag der Männer lag aber mit 9634 Kalorien niedriger als bei den Frauen (10 356), und der Medianwert für die Männer war mit 4663 Kalorien noch viel geringer. Der Grund für diesen paradoxen Befund: Den wenigen glücklichen Tagen, an denen ein Mann ein Nabelschwein erlegte, standen viel mehr Tage gegenüber, an denen er mit leeren Händen nach Hause kam.
     
    Auf lange Sicht täten die Männer der Aché also besser daran, bei der weniger heldenhaften »Frauenarbeit« zu bleiben und Palmen zu zerstampfen, anstatt sich dem Nervenkitzel der Jagd hinzugeben. Da Männer über mehr Körperkraft verfügen als Frauen, könnten sie sogar jeden Tag mehr Stärke durch Zerstampfen von Palmen gewinnen als die Frauen, wenn sie sich dazu entschlossen hätten. Mit ihrem hohen, ziemlich unberechenbaren Risiko sind die Männer der Aché mit Glücksspielern zu vergleichen, die den Jackpot anstreben: Auf lange Sicht täte auch ein Spieler viel besser daran, sein Geld auf die Bank zu bringen und langweilige, vorhersagbare Zinsen einzustreichen.
     
    Die zweite Überraschung war die Beobachtung, daß die erfolgreichen Jäger bei den Aché das Fleisch nicht vorwiegend nach Hause zu Frau und Kindern bringen, sondern es mit ihrer gesamten Umgebung teilen. Das gleiche gilt auch, wenn ein Mann Honig findet. Wegen dieser allgemeinen Sitte des Teilens stammen drei Viertel aller Nahrungsmittel, die ein Aché verbraucht, von Personen außerhalb der Kernfamilie.
     
    Warum die Frauen der Aché nicht auf Großwildjagd gehen, versteht man leicht: Sie können ihre Kinder nicht so lange allein lassen und außerdem nicht das Risiko eingehen, auch nur einen Tag ohne Beute nach Hause zu kommen, denn das würde ihre Milchproduktion und Schwangerschaft gefährden. Aber warum drückt ein Mann sich um die Gewinnung von Palmenstärke, gibt sich statt dessen mit dem geringeren Durchschnittsertrag der Jagd zufrieden und bringt die Beute nicht zu Frau und Kindern, wie es die traditionelle Theorie der Anthropologen behauptet?
     
    Dieser Widerspruch legt die Vermutung nahe,

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