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Warum macht Sex Spaß?

Warum macht Sex Spaß?

Titel: Warum macht Sex Spaß? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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mit Sicherheit wußte, daß es auch sein Kind war.
     

Bei näherer Überlegung sollten wir uns über diese veränderte Funktion des versteckten Eisprungs nicht wundern. Derartige Verschiebungen kommen in der Evolutionsbiologie recht häufig vor. Die natürliche Selektion arbeitet nämlich im Gegensatz zu einem Ingenieur, der bewußt ein neues Produkt konstruiert, nicht bewußt und direkt auf ein weit entferntes, erkanntes Ziel hin. Eine Eigenschaft, die bei einem Tier bereits eine Funktion erfüllt, übernimmt vielmehr allmählich auch eine andere Aufgabe, wird dadurch abgewandelt und verliert unter Umständen sogar ihre ursprüngliche Funktion.
     
    Abb. 3
     
    Wenn man Beobachtungen an heutigen Arten mit Rückschlüssen auf frühere Spezies zusammennimmt, kann man ableiten, welches Paarungssystem vorherrschte, als die Signale für den Eisprung sich in der Evolution veränderten. Aus solchen Überlegungen ergibt sich, daß der versteckte Eisprung sich bei der Art Nr. 3 von einem Vorläufer aus entwickelte, der Harems hielt und geringfügige Anzeichen für den Eisprung zeigte; bei den Arten Nr. 1 und Nr. 2 dagegen blieben das ursprüngliche Paarungssystem (Harem) und die geringfügigen Anzeichen des Eisprungs erhalten.
     

     
    Das hat zur Folge, daß ähnliche Anpassungen in der Evolution der Lebewesen immer wieder neu »erfunden« werden, während andere Funktionen häufig verlorengehen, sich verändern oder sich sogar umkehren.
     
    Eines der bekanntesten Beispiele sind die Gliedmaßen der Wirbeltiere. Die Flossen der Urfische, die eigentlich zum Schwimmen dienten, entwickelten sich bei den ersten Reptilien, Vögeln und Säugetieren zu Beinen, die an Land zum Laufen und Springen benutzt wurden. Bei bestimmten frühen Säugetieren und Flugsauriern wurden die Vorderbeine später zu Flügeln umgestaltet, mit denen die Fledermäuse und die heutigen Vögel fliegen. Aus den Flügeln der Vögel und den Beinen der Wirbeltiere entwickelten sich dann unabhängig voneinander die Ruderflossen der Pinguine und Wale, das heißt, sie übernahmen wieder die Aufgabe des Schwimmens, womit eigentlich die Flossen der Fische neu erfunden wurden. Mindestens drei Gruppen von Nachkommen der Fische verloren unabhängig voneinander ihre Gliedmaßen und wurden zu Schlangen, beinlosen Echsen und den Blindwühlen, einer Gruppe beinloser Amphibien. Im wesentlichen auf die gleiche Weise wechselte auch die Funktion fortpflanzungsbiologischer Merkmale wie die des versteckten oder deutlich angekündigten Eisprungs, der Monogamie, Haremhaltung und Promiskuität, die ebenfalls ineinander übergingen, neu erfunden wurden oder verschwanden.
     
    Die Folgen dieser entwicklungsgeschichtlichen Veränderungen können unserem Liebesleben zusätzliche Würze verleihen. In dem Roman Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull von Thomas Mann zum Beispiel sitzt Felix auf einer Zugfahrt mit einem Paläontologen im Speisewagen, und dieser ergötzt ihn mit einem Vortrag über die Evolution der Wirbeltiergliedmaßen. Felix, ein kultivierter, phantasiebegabter Frauenheld, ist von den Folgen begeistert. »Die Knochen der menschlichen Arme und Beine wie bei den urtümlichsten Landtieren! Nicht daß ich mich daran stieße, aber es packt mich! … Nehmen Sie einen reizenden, vollschlanken Frauenarm, wie er uns, wenn wir Glück haben, wohl umschließt … [Daß diese Gliedmaße] nichts anderes ist als der Krallenflügel des Urvogels und die Brustflosse des Fisches … ich werde in Zukunft daran denken. Ich glaube versichern zu können, daß ich es ohne Bitterkeit, ohne Ernüchterung, vielmehr mit Herzlichkeit tun werde.«
     
    Nachdem Sillén-Tullberg und Møller nun die Evolution des versteckten Eisprungs aufgeklärt haben, können wir im Zusammenhang mit den Folgen unsere eigene Phantasie spielen lassen, genau wie Felix Krull es mit der Evolution der Wirbeltiergliedmaßen tat. Warten Sie nur, bis Sie das nächste Mal aus Vergnügen zu einer unfruchtbaren Zeit des Zyklus Sex haben, während Sie sich gleichzeitig der Sicherheit einer langfristigen monogamen Beziehung erfreuen. Denken Sie in einem solchen Augenblick einmal kurz daran, auf welch paradoxe Weise Ihr Glück möglich wird: durch genau jene physiologischen Eigenschaften, die unsere entfernten Vorfahren zu etwas Besonderem machten, während sie in Harems lebten oder promiskuitiv die Partner wechselten. Ironie des Schicksals: Diese unglücklichen Vorfahren waren nur an den wenigen Tagen um den Eisprung sexuell

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